zm112, Nr. 8, 16.4.2022, (720) WISSENSCHAFTLICHE IMPULSE FÜR EIN PUBLIC-HEALTH-BUNDESINSTITUT Thinktank mit vernetzten Strukturen Die Ampel hat es im Koalitionsvertrag zwar angekündigt, aber noch gibt es keine konkreten Pläne für ein Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit. Ein Wissenschaftlerteam aus dem Public-Health-Bereich hat jetzt schon einmal vorgedacht und ein Konzept vorgelegt. Die Idee: Statt einer schwerfälligen Behörde sollte ein schlagkräftiger Thinktank entstehen, der Forschung und Versorgung vernetzt – und in der Politik eine Wörtchen mitzureden hat. Wie kann die dringend nötige Neuausrichtung von Public Health in Deutschland gelingen? Dazu haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Versorgungsforschung ein Papier mit dem Titel „Impulse für ein Bundesinstitut für Public Health“ veröffentlicht. Das Team aus dreizehn Autoren um Prof. Dr. Volker Amelung (Vorsitzender des Bundesverbands Managend Care, BMC) und Prof. Dr. Reinhard Busse (TU Berlin) hat Ideen und Vorschläge erarbeitet, wie ein solches Institut beschaffen sein müsste. Anlässlich eines Webinars des Bundesverbands Managed Care am 15. März wurde das Papier veröffentlicht. Zum Hintergrund: Seit Jahren bestehen im Bereich der Öffentlichen Gesundheit (Public Health) Defizite, die im Zuge der COVID-19-Pandemie offen zutage getreten sind. Die verkrusteten, veralteten Strukturen bei den öffentlichen Gesundheitsämtern sind nur ein Beispiel. Die Ampelkoalitionäre haben deshalb im Koalitionsvertrag eine Neuausrichtung festgelegt. Geplant ist unter anderem, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in einem Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit am Bundesministerium für Gesundheit (BMG) aufgehen zu lassen. Hier docken die Autoren mit ihrem Konzept an. Ihre Idee: Ein neues Bundesinstitut müsste die nötige Verzahnung von Forschung, Versorgung und Administration sicherstellen. Dazu stellt sich das Team „agile Strukturen ohne Behördencharakter“ vor. Es plädiert dafür, das Bundesinstitut als hybriden und durchlässigen Thinktank zu konzipieren, der eine variable Einbindung hochkarätiger Experten ergänzend zu hauptamtlichen Fachkräften ermöglicht. Das Bundesinstitut dürfe gegenüber dem BMG nicht weisungsgebunden sein, es sollte aber über die nötige politische Anbindung verfügen. DIE PANDEMIE HAT DIE DEFIZITE SICHTBAR GEMACHT In ihrem Papier benennen die Autoren zunächst die hierzulande herrschenden Defizite im Public-Health-Bereich. Dazu zählen sie – im Gegensatz zur internationalen Szene – ein generelles Desinteresse am Fach, fehlende und verzögerte Daten für Forschung und politische Entscheidungen, unzureichende Kommunikationskanäle zwischen Wissenschaft, Politik und Versorgung, eine mangelnde Koordination zwischen den zuständigen Institutionen und eine mangende zielgruppengerechte Kommunikation gegenüber der Bevölkerung. In der Pandemie seien diese Defizite stark sichtbar geworden, wie die Forschenden ausführlich darlegen. Dazu gehöre, wie suboptimal Aufgaben und Kompetenzen der BZgA geregelt seien. Diese könne weder Maßnahmen zum Gesundheitsschutz zielgruppengerecht erläutern noch die Bevölkerung aufklären – mit verheerenden Folgen (wie etwa niedrige Impfquote, fehlende Akzeptanz von Schutzmaßnahmen). Stattdessen übernähmen das Robert-Koch Institut (RKI) sowie das BMG selbst einen Großteil der Kommunikation. Dies allerdings in einer fachlichen Sprache und über Kanäle, mit der große Teile der Öffentlichkeit nicht erreicht werden könnten. Darüber hinaus würden Maßnahmen wiederholt inkonsistent kommuniziert, wenn sich verschiedene Institutionen dazu äußerten (neben BMG, RKI, auch die Ständige Impfkommission STIKO sowie Gesundheitsämter oder die Landespolitik). Dies stifte Verwirrung in der Bevölkerung. Daneben bestünden Mängel im Informationsaustausch zwischen Leistungserbringenden, Laboren, Gesundheitsämtern, dem RKI, der Wissenschaft und politischen Entscheidungsträgern, sodass Versorgungsdaten nur unvollständig und mit Verzögerung für Analysen und Entscheidungen herangezogen werden könnten. Mit der Gründung eines Bundesinstituts für öffentliche Gesundheit besteht nach Ansicht des Autorenteams die Chance, diese Schwachstellen zu beheben und die ver- „Es braucht dringend mehr Koordination und Zusammenarbeit der zahlreichen Public-Health-Institutionen in Deutschland. Das von der Bundesregierung geplante ‚Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit‘ kann dazu der Schlüssel sein, allerdings nicht in Form einer Bundesoberbehörde, sondern als offene Plattform im Sinne eines Deutschen Zentrums für Public Health, das die Gesundheitsämter aktiv einbindet.“ Prof. Dr. Volker Amelung, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Managed Care 18 | POLITIK
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