Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 8

zm112, Nr. 8, 16.4.2022, (726) wanderung neutrophiler Granulozyten. Auslöser sind Rupturen oder das Einbringen äußerer Keime, bevorzugt typische epidermale Bakterienstämme wie Staphylococcus aureus und Staphylococcus epidermidis [Weir und St. Hilaire, 2021]. Das Stratum granulosum des echten Atheroms ist grundsätzlich aufgebaut wie das Epithel des Haartrichters und sezerniert kontinuierlich Hornlamellen. Bei der Trichilemmalzyste, deren Wand aus dem Gang der Talgdrüse entsteht, erfolgt eine Keratinisierung, oft gepaart mit einer Verkalkung [Nasemann und Sauerbrey, 1987; Weir und St. Hilaire, 2021]. Differenzialdiagnostisch ist es meist erst nach Exzision und einer pathologischen Aufarbeitung möglich, die Epidermalzyste – das echte Atherom – von der Trichilemmalzyste zu unterscheiden. Klinisch kommen jedoch zahlreiche weitere Befunde der Haut und der Unterhaut infrage. Hierunter fällt auch das im vorliegenden Fall differenzialdiagnostisch abzugrenzende Lipom – ein benigner Tumor des subkutanen Fettgewebes, der sich klinisch ebenfalls prall-elastisch, verschiebbar und mit guter Abgrenzung darstellt. Oft ist eine Lappung der Lipome zu beobachten. Aufgrund des ähnlichen klinischen Erscheinungsbildes von Atherom und Lipom kann die Magnetresonanztomografie aufschlussreich sein: Der Atheromkörper zeigt sich in der T2-Wichtung aufgrund des hohen Flüssigkeitsanteils hyperintens, während das Lipom deutlich hypointens darstellbar ist. Sonografisch ist die Abgrenzung des Befunds vom Umgebungsgewebe nicht so deutlich erkennbar wie bei einem Atherom. In Anbetracht der Lokalisation der Raumforderung war zunächst auch ein pleomorphes Adenom der Glandula parotidea nicht auszuschließen. Eine maligne und relevante Differenzialdiagnose ist das zystische Basalzellkarzinom, das sich durch eine knotige Struktur und Teleangiektasien auszeichnet [Rassner, 2006]. Liegt keine akute Infektion der Zyste vor, ist eine operative Entfernung nicht zwangsläufig erforderlich, aus ästhetischen Beweggründen – wie im vorliegenden Fall – jedoch oft erwünscht. Um Rezidive zu vermeiden, muss darauf geachtet werden, die gesamte Zystenwand zu entfernen. Als minimalinvasive Alternative nennen manche Quellen die Injektion von Triamcinolon in infizierte Zysten. Bei diesem Medikament handelt es sich um ein Glukokortikoid, das antiallergisch und entzündungshemmend wirkt [Plewig et al., 2018; Weir und St. Hilaire, 2021]. Bereits infizierte Atherome müssen gespalten werden, eine komplette Exzision ist im entzündeten Zustand erschwert. Der fluide Inhalt wird drainiert und der Zystenkrater antiseptisch gereinigt, bevor die Inzisionswunde meist per Lasche offen ausheilt. Die Prognose bei Vorliegen eines Atheroms ist sehr gut. Ist dieses vollständig mitsamt der Zystenwand entfernt worden, rezidiviert es in der Regel nicht. Auch eine Entartung in Form eines Plattenepithelkarzinoms oder eines Basalzellkarzinoms ist äußerst selten (< 1 Prozent), sollte allerdings nicht kategorisch ausgeschlossen werden [Frank et al., 2018; Weir und St. Hilaire, 2021]. \ FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Atherome sind die häufigsten Zystentypen der Kutis. \ Sie treten besonders im Gesichts-, im Hals- und im Kopfbereich auf und bestehen im nicht infizierten Zustand hauptsächlich aus Hornlamellen; ihr Wachstum ist zumeist langsam. \ Klinisch sind Atherome nicht immer gut von Lipomen oder zystischen Basalzellkarzinomen zu unterscheiden, nur die histopathologische Aufarbeitung ermöglicht eine zweifelsfreie Diagnose. UNIV.-PROF. DR. DR. PEER W. KÄMMERER, MA, FEBOMFS Leitender Oberarzt und stellvertretender Klinikdirektor Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz peer.kaemmerer@unimedizin-mainz.de Foto: privat ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 24 | ZAHNMEDIZIN

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