Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 9

zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (828) KONFLIKTMANAGEMENT Was tun bei Streit unter Zahnärzten? Wieland Schinnenburg Die Zahl der beruflichen Kooperationen von Zahnärztinnen und Zahnärzten nimmt zu und damit auch die Häufigkeit von Streit untereinander. Das fängt oft ganz harmlos an, kann aber eskalieren und dann drastische Folgen haben. Wenn der Streit schon fortgeschritten ist, gibt es ohne professionelle Hilfe oft keinen Ausweg mehr. Es schien alles sehr harmonisch in der Berufsausübungsgemeinschaft der beiden Zahnärztinnen Dr. A und Dr. B. Sie können lange Praxiszeiten anbieten, ohne dabei selbst zu viel arbeiten zu müssen. Außerdem können sie verschiedene Schwerpunkte bilden: Dr. A spezialisiert sich auf Endodontie, Dr. B auf Kinderbehandlungen – eigentlich eine echte Win-win-Situation. Zwar gibt es ab und zu kleinere Meinungsverschiedenheiten, aber die werden meistens dadurch erledigt, dass eine nachgibt – allerdings ist das regelmäßig Dr. B. Die beiden Zahnärztinnen hatten vereinbart, dass die Kosten geteilt werden und der Gewinn entsprechend dem jeweiligen Umsatz verteilt wird. Dies führt dazu, dass Dr. B deutlich weniger Gewinn macht als Dr. A. Jahrelang ist das scheinbar kein Problem. Allerdings hat Dr. B inzwischen eine Familie gegründet und ein Haus gebaut. Sie braucht also dringend mehr Geld. Sie sagt dies Dr. A. Jene entgegnet, dann solle Dr. B doch mehr arbeiten. Eine Bevorzugung bei der Gewinnverteilung komme nicht in Betracht. Schließlich nehme Dr. B das Personal für die Behandlung schwieriger Kinder mehr in Anspruch als sie selbst. PLÖTZLICH ESKALIERT DIE SITUATION Zunächst nimmt Dr. B die Abfuhr hin, aber zufrieden ist sie nicht. Plötzlich eskaliert die Situation: Dr. B will die bereits vorbereitete gemeinsame Steuererklärung nicht unterschreiben, da sie meint, dass die Gewinnverteilung ungerecht sei. Schnell kommt es zu gegenseitigen Vorwürfen: „Du lebst auf meine Kosten“, „Du arbeitest zu wenig“, „Du arbeitest zwar viel, aber nicht sorgfältig, immer muss ich deine Fehler ausgleichen“, „Du nutzt das Personal mehr als ich“. Bald wird der jeweils anderen Seite eine ganze Liste von angeblichem Fehlverhalten in den vergangenen Jahren vorgehalten. Ein Schlichtungsversuch des gemeinsamen Steuerberaters führt nicht zum Erfolg – im Gegenteil: Dr. A verdächtigt den Steuerberater sogar, auf der Seite von Dr. B zu stehen, da er ein gewisses Verständnis für ihre Position gezeigt hat. Schnell schalten Dr. A und Dr. B jeweils einen eigenen Rechtsanwalt ein. Zunächst gehen anwaltliche Schreiben hin und her, schließlich kommt es zu Abmahnungen. Der Druck steigt noch, als das Finanzamt die Abgabe der Steuererklärung fordert und eine Steuerschätzung androht. Es kommt zu immer neuen Eskalationen. So sperrt Dr. A das gemeinsame Konto, da sie fürchtet, Dr. B. könnte diesem unerlaubt Geld für sich entnehmen, um damit eine für sich günstigere Gewinnverteilung herbeizuführen. Damit können Überweisungen nur noch einvernehmlich vorgenommen werden. Bei vielen Rechnungen kommt es zu neuem Streit. Die Spannungen bleiben weder den Mitarbeitern noch den Patienten verborgen. Diese wechseln zu anderen Praxen, Umsatz und Gewinn sinken. Dafür Nicht nur in den besten Familien, auch in den besten Praxen kracht es manchmal. Wenn die Situation eskaliert, kann oft nur noch eine Mediation helfen. 18 | PRAXIS

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