Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 9

Konstantin von Laffert, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer, berichtet den Journalisten, dass man in den Kammern viele Beschwerden von Kolleginnen und Kollegen höre, die in großen investorenfinanzierten Verbünden arbeiten – diese Rückmeldungen erreichten die Standespolitik jedoch immer nur hinter vorgehaltener Hand, da die Betroffenen über entsprechende Vertragsklauseln zur Verschwiegenheit verpflichtet seien. Ganz ähnlich die Situation in der Augenheilkunde. „Finanzinvestoren übernehmen überall in Deutschland Augenarztpraxen“, heißt es in der Sendung, schon jetzt seien es mehr als 500. Patientenberichte reichten von unnötigen, privat zu zahlenden Vorsorgeuntersuchungen bis hin zu dringenden Operationsempfehlungen, ohne dass diese von der Anamnese oder Therapiefreiheit gedeckt sind. Entsprechende Zweitmeinungen holte die Redaktion bei renommierten Stellen ein. Darauf angesprochen, bestreiten die Praxisketten die Darstellung oder verweigern eine Stellungnahme. Aussage steht gegen Aussage. Nach monatenlanger Recherche und fast hundert Gesprächen mit Augenärzten kommen die Journalisten zu dem Schluss, dass Selbstzahlerleistungen in investorengeführten Praxen – häufig am Tresen noch vor dem ersten Arztgespräch – systematisch aufgeschwatzt und ertragreiche Operationen überproportional häufig durchgeführt werden. Eine der größten Ketten weist in ihrem Geschäftsbericht von 2020 eine Rendite von knapp 20 Prozent aus – erwirtschaftet hauptsächlich durch die mehr als 160.000 durchgeführten OPs im Jahr, oft wegen Erkrankungen wie dem Grauen Star. SIE MÜSSEN DAS ABER MACHEN LASSEN – SONST ERBLINDEN SIE! Auch hier äußert sich eine Ärztin mit langjähriger Berufserfahrung anonymisiert: „Auf das Perssonal war hoher Druck ausgeübt worden, dass jeder Patient, der in die Praxis kommt, auf bestimmte Leistungen angesprochen werden muss.“ Und wenn der Patient sich weigert? „Die Arzthelferin sagt dann: Sie müssen das aber machen lassen – sonst erblinden Sie!“ Das Schlupfloch im Gesetz erlaubt aberwitzige Eigentümerstrukturen erlaubt.Aus dem Hause von Prof. Karl Lauterbach hieß es dazu lediglich, dem BMG sei „nicht bekannt, ob und inwieweit eine beherrschende Marktkonzentration vorliegt“. Ein Interview mit dem Bundesgesundheitsminister oder einem seiner Staatssekretäre bekam die Redaktion nicht, trotz mehrmaliger Anfragen über einen Zeitraum von mehreren Monaten. Bis dahin ist es keine Ausnahme, dass in manchen Städten bereits die Hälfte der Augenarztpraxen einem Investor gehören – ohne dass das Praxisschild darüber Auskunft gibt. Die freie Arztwahl ist hier wohl nur noch eine Illusion. Oder dass ein internationaler Finanzinvestor eine bayerische Schlafklinik mit vier Betten kauft, der ein paar Jahre später 140 Augenarztpraxen gehören, die pro Jahr 19 Prozent Rendite abwerfen. ck/mg zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (837) %1/ (<&=1/$ :+B $+&$& 8$B?;==?+1/$& 7&=OB$1/OAB.&$BM H$B :+1/ !$+ A??$& '$BA>=0#BH$B>&K$& >&.$B=.<.". 4 $+& L>&H>:-=#BK?#=-NAC$. A>= $+&$B 'A&HI F&H HA= !$C#::$ +1/ !$+ E)6 D3INL2I* D7'57LDGJ29G,7L@ $#) "%&('* ! ,*%!* #)")!(+' ,*%! $*&' '$!(+)#*,"-&-*)!)%+) 1$,1(,!&0'%&".-*"+/))"22# POLITIK | 27

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