zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (876) nahme ist die geringe Spezifität und Sensitivität der Diagnose einer Pneumonie (neu aufgetretenes oder persistierendes Infiltrat im Röntgen-Thorax plus zwei von den drei folgenden Kriterien: purulentes Bronchialsekret, Leukozytose oder Leukopenie, Fieber von mehr als 38,3 Grad Celsius oder Hypothermie von weniger als 36 Grad Celsius [Zhao et al., 2020]). Viele unserer Annahmen darüber, wie VAP am besten zu verhindern ist, wurden kürzlich infrage gestellt. Neue Daten bestätigen die lange gehegte Befürchtung, dass selektive Dekontaminationen des Mundes und Verdauungstrakts auf Intensivstationen mit hohen Ausgangsraten von Antibiotikaresistenzen möglicherweise nicht wirksam sind und die Drainage von subglottischem Sekret möglicherweise nicht (wie früher angenommen wurde) die Dauer der mechanischen Beatmung oder die Verweildauer auf der Intensivstation verkürzt [Caroff et al., 2016; Klompas, 2017; Harris et al., 2018; Huang et al., 2018; Wittekamp et al., 2018]. Ein Vergleich der Auswirkungen von Präventionsmaßnahmen auf die VAPRaten mit objektiveren Ergebnissen kann manchmal auch zu überraschenden Diskrepanzen führen. So deuten Metaanalysen randomisierter Studien zur Mundpflege mit Chlorhexidin darauf hin, dass diese Maßnahme zwar die VAP-Raten senken, aber die Sterblichkeit erhöhen könnte. [Klompas et al., 2014; Price et al., 2014]. SYSTEMATISCHES VORGEHEN BEI DER ORALEN VERSORGUNG BEATMETER PATIENTEN Die primären Ziele der Mundpflege sind der Erhalt einer intakten, feuchten und belagfreien Mundschleimhaut, heiler und weicher Lippen, eines feuchten und gesunden Zahnfleisches sowie belagfreier Zähne. Um eine adäquate Mundpflege zu betreiben, ist nach Durchführung einer hygienischen Hände-Desinfektion und dem Anziehen von Schutzhandschuhen zunächst eine systematische Beurteilung des oralen Zustands (Zahn- und Mundstatus) erforderlich. Die Pflegenden sollen zur Durchführung einer effektiven Mundhygiene angeleitet und über die Prothesenpflege aufgeklärt werden. Die Mundhöhle soll einmal pro Schicht mit Spatel und Lampe vorsichtig inspiziert, auffällige Befunde sollten dokumentiert werden. Die Mundpflege wird mehrmals pro Schicht durchgeführt. Die beste Reihenfolge des Pflegeprozesses ist Zahn-, Zungen-, Mundund Lippenpflege. Vorbereitung Eine hygienische Desinfektion und das Anziehen von Schutzhandschuhen müssen als selbstverständlich angesehen werden. Vor Behandlungsbeginn ist die ausreichende Blockung des Cuffs zur Aspirationsvermeidung besonders wichtig. Bei jeder Mundpflege wird immer keimhaltiges Material in den Rachen laufen. Eine umsichtige Vorgehensweise und ständiges Absaugen während der Mundpflege beim Einsatz von Endotrachealtuben mit subglottischer Absaugung oder der Einsatz von Saugzahnbürsten als Einmalartikel können dieses Problem eingrenzen. Zahn- und Zungenreinigung Zähne sollten am besten nach jeder Mahlzeit, mindestens aber zweimal pro Tag zwei bis drei Minuten geputzt werden. Hier sind kleine Kinderzahnbürsten empfehlenswert, um bei geringem Platzangebot reinigen zu können (Platzmanagement bei Beatmungs-Tubus im Mundraum). Auch die Dreikopfzahnbürste hat sich in der Seniorenzahnmedizin bewährt. Wenn eine elektrische Zahnbürste verwendet wird, sollte diese rotierend-oszillierend sein. Durch diese elektrischen Zahnbürsten kann ohne weitere Putzbewegungen, insbesondere bei eingeschränkter Mundöffnung und Behinderung durch die Lage des endotrachealen Tubus, jeder Zahn mit den kleinen runden Bürstenköpfen erreicht werden. Die Interdentalpflege sollte mit Interdentalbürstchen und CHX-Gel erfolgen. Vorhandene Prothesen müssen regelmäßig gereinigt werden, was bei Bedarf auch professionell erfolgen sollte. Zungenreiniger sollten bei jeder Zahnpflege verwendet werden, wobei darauf zu achten ist, von hinten nach vorne zu arbeiten. Danach ist ein erneutes Spülen unter gleichzeitigem, sorgfältigem Absaugen notwendig. Die Zungenreiniger, der Aufsatz und das Handstück der elektrischen Zahnbürste sollten regelmäßig desinfiziert werden, um das Infektionsrisiko zu minimieren [Schulz-Stübner et al. 2010]. Spülen und Auswischen der Mundhöhle \ Die Reinigung der Mundhöhle einschließlich Wangentaschen erfolgt mit einer milden Pflegelösung. \ Die Anfeuchtung der Mundschleimhaut kann unter Zuhilfenahme von flüssigkeitsgetränkten Tupfern und einer Pean-Klemme, Kornzange oder Magillzange erfolgen. Vor dem Ausspülen muss allerdings eine erneute Kontrolle des Cuff-Drucks erfolgen. \ Angesichts der unklaren Datenlage zur optimalen Substanz, Konzentration und Häufigkeit der Anwendung von antiseptischen Substanzen als Bestandteil der Mundpflege sollte die Auswahl in Abhängigkeit von der institutionsspezifischen Patientenpopulation, dem anzutreffenden Keimspektrum und der Verträglichkeit erfolgen. Chlorhexidin 0,2 Prozent und Octenidin scheinen geeignete Substanzen zu sei, auch das OrofanMundpflegeöl ist eine gute Alternative. Darüber hinaus können auch Bepanthen-Lösungen, Betaisadona, Glandosane, KamilleTeeaufguss, Salbei sowie Wasserstoffperoxid verwendet werden [deSmet et al., 2009]. Topische Antibiotika sind wegen des schlechten direkten Effekts, fraglicher Effekte auf die Gesamtgesundheit, Interaktionen mit anderen Medikamenten und des Risikos der Resistenzentwicklung eher nicht zu empfehlen. Nach der Mundpflege sollte immer eine endotracheale Absaugung erfolgen. Zuletzt erfolgt dann das Einfetten trockener Lippen. Nach [Schulz-Stübner et al., 2010] 66 | ZAHNMEDIZIN
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=