Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 9

zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (895) somit auf der Persönlichkeitsebene erfolgt, betrachten sich die Lernenden als begabt oder unbegabt. Die „Unbegabten“ erkennen wenig Sinn darin, sich anzustrengen. Sie nehmen an, dass sich Bemühungen nicht lohnen, weil man ja sowieso kein Talent hat und sind wenig motiviert. Die „Begabten“ hingegen möchten verständlicherweise ihre Anerkennung nicht verlieren und nicht dumm wirken. Auch bei ihnen verringert sich ungünstigerweise die Motivation und zwar immer dann, wenn es darum geht, dass Kraft und Mühe aufgewendet werden müssten, um die entsprechende Leistung zu bringen und dabei das Risiko des Scheiterns oder eines Fehlers besteht. Denn wenn man Kraft und Mühe aufbringen muss, bedeutet das für viele Personen, nicht begabt zu sein und somit den guten Ruf zu verlieren. In der Folge vermeiden diese Personen Anstrengungen und nehmen schwierige Aufgaben, die sie eigentlich lösen könnten, nicht in Angriff. Dweck hat umfangreiche Untersuchungen durchgeführt, die dieses Phänomen in vielfältigen Leistungssituationen belegen. EIN FLEXIBLES SELBSTBILD FÖRDERN Erfolgt das Feedback hingegen so, dass ein flexibles Selbstbild (Mindset) gefördert wird, so erhöhen sich sowohl das Engagement als auch die Bereitschaft, schwierige Aufgaben in Angriff zu nehmen. Um ein derartiges flexibles Selbstbild zu fördern, ist es sinnvoll, das Engagement und den Arbeits- und Lernaufwand anzuerkennen und in Beziehung zum Erfolg zu setzen. Hier helfen zum Beispiel bei Auszubildenden Sätze wie: „Man sieht, dass Sie diese Klausur sehr systematisch vorbereitet haben. Alle wichtigen Details sind beschrieben.“ Man kann sich natürlich fragen, inwiefern das insgesamt für die Praxis relevant ist. Wenn generell ein statisches Selbstbild in einem System vorherrscht, also wenn die Personen als solche als talentiert, begabt oder unbegabt bewertet werden, so hat das vielfältige Folgen. Dann führt das Eingestehen eines Fehlers dazu, „dass ich ja augenscheinlich doch nicht so begabt bin“. Das ist selbstwertschädigend und wird daher gerne unterlassen. Deswegen führt ein statisches Selbstbild dazu, dass das Vertuschen von Fehlern innerhalb der Praxis steigt. Ein guter Umgang mit Fehlern, etwa durch ein offenes Ansprechen und ein regelmäßiges Durchsprechen innerhalb des Teams, ermöglicht die Optimierung der Prozesse und senkt die Fehlerquote. LERNFORTSCHRITTE KONTINUIERLICH WÜRDIGEN Wie kann man diese Feedbackaspekte nun so kombinieren, dass sich ein optimales Lernfeedback ergibt? Kommen wir zu dem Beispiel mit dem Phosphorzement zurück. Nehmen wir an, eine Auszubildende hat den Zement für eine Unterfüllung zu flüssig angerührt. Dann ist natürlich erst einmal ein sachliches Feedback sinnvoll: „Schau, so kann ich das Material nicht fest in die Kavität hineinstopfen, denn es klebt an meinem Spatel. Ich denke, wir brauchen noch mindestens ein Drittel mehr Pulver.“ Hier erfolgt eine klare Rückmeldung über die Qualität der geleisteten Arbeit direkt verbunden mit dem Hinweis, welche Änderung genau zu erfolgen hat, damit das gewünschte Ergebnis erzielt wird. Wenn die entsprechende Arbeit das nächste Mal besser geworden ist, wäre ein individuelles Feedback sinnvoll: „Diesmal ist die Konsistenz vom Zement deutlich fester. Er klebt nicht mehr an meinem Spatel, ist aber noch so weich, dass ich ihn noch nicht stopfen kann. Ich denke 10 Prozent mehr Pulver sind noch erforderlich, damit die Masse so fest ist, dass ich sie wirklich gut verarbeiten kann.“ Das bedeutet der Lernfortschritt wird gewürdigt während gleichzeitig die erwünschte Verhaltensänderung und das Zielkriterium erneut beschrieben werden. Wenn das nächste Mal das richtige Ergebnis erzielt wurde, wäre eine nützliche Formulierung: „Genauso brauche ich den Zement, danke! Das haben Sie diesmal perfekt hingekriegt. Man sieht, dass Sie sehr gut mitdenken und alle Tipps, die wir Ihnen geben, umgesetzt haben. Es macht richtig Freude, mit Ihnen zusammenzuarbeiten!“ Hier sind nun der individuelle Lernfortschritt, das Treffen des Kriteriums und ein positives Feedback fürs Engagement und die Beschreibung des Lernweges zusammengenommen. Derartiges Feedback löst bei Lernenden Zufriedenheit aus. Dadurch werden die entsprechenden, neu geschaffenen neuronalen Verbindungen stabilisiert und die Wahrscheinlichkeit, dass das nächste Mal die gleiche Leistung gebracht wird, steigt. Erfolgt hingegen in dem Moment, in dem die Leistung das erste Mal wirklich perfekt erbracht worden ist, kein positives Feedback, entsteht bei den Lernenden Unsicherheit und sie machen gegebenenfalls weitere Experimente, die dann zu schlechteren Ergebnissen führen. Wenn Mitarbeitende also dabei sind, sich in etwas Neues einzuarbeiten und sich bemühen die richtigen Ergebnisse zu erzielen, ist spezielles lernförderndes Feedback ein geeigneter Ansatz zur schnellen Optimierung der erwünschten Fertigkeiten. \ Die Teile 1 und 2 zur Mitarbeitermotivation finden Sie in der zm 6/2022 und in der zm 7/2022 oder über den QR. MAIKE BAUMANN Diplompsychologin, Psychotherapeutin und Mediatorin, Coach, Autorin und Dozentin info@tonart-coaching.de Foto: Janien Ebert PRAXIS | 85

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