Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm112, Nr. 10, 16.5.2022, (958) FORTBILDUNG „ANTIBIOTIKA UND RESISTENZENTWICKLUNGEN“ Antibiotika in der Endodontie Magdalena Ibing, Edgar Schäfer In der Endodontie spielt der Einsatz von Antibiotika in vielen Fällen eine Rolle, doch nicht immer sind Antibiosen angezeigt. Mit dem Wissen um den richtigen Indikationsbereich im zahnärztlichen Alltag kann der Zahnarzt die Verabreichung von Antibiotika deutlich reduzieren. Angesichts des Risikos zunehmender Resistenzen ist es für ihn wichtig zu wissen, wann sie eingesetzt werden können, sollten oder müssen. Im Jahr 2014 rezeptierte jeder Zahnarzt im Schnitt 58-mal Antibiotika. Besonders hoch ist die Verordnung von Antibiotika im Notdienst und erfolgt dort oft ohne eine begleitende kausale zahnärztliche Intervention. Als Begründung der vermehrten Antibiotikagabe werden oft Wissens-, Trainings- und Zeitmangel sowie Arbeitsdruck angeführt [Hussein et al., 2018]. Im Jahr 2013 wurden circa 708.000 Antibiotika in Zusammenhang mit der Leistung Wurzelkanalbehandlung verschrieben. Bei circa 15 Prozent der Patienten wurde eine systemische Antibiose nach einer Wurzelkanalbehandlung rezeptiert. Zu 51 Prozent wurde nach oder während einer Wurzelkanalbehandlung Clindamycin und zu circa 24 Prozent Amoxicillin verabreicht [Hussein et al., 2018]. Weltweit ist ein Trend erkennbar, dass Antibiotika bei endodontischen Behandlungen sehr häufig verschrieben werden [Segura-Egea et al., 2017]. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wann die Anwendung von Antibiotika in der Endodontie generell indiziert ist? Wann sollten Antibiotika ergänzend zur Kausalbehandlung eingesetzt werden und wann ist eine Verabreichung nicht notwendig oder sogar obsolet? SCHMERZTHERAPIE BEI AKUTEN ODONTOGENEN INFEKTIONEN Ein Schreckensszenario in der Endodontie ist fraglos der infizierte Wurzelkanal. Viren, Fungi und Bakterien können sich im Wurzelkanallumen bei einer infizierten Pulpanekrose zu einem Biofilm entwickeln und formieren. Von den circa 700 Bakterienarten in der Mundhöhle kommen nur ungefähr 15 bis 20 verschiedene Spezies in den Wurzelkanälen vor [Siqueira et al., 2021]. Bereits Kakehashi et al. zeigten im Jahr 1965, dass eine Pulpitis und eine Parodontitis apicalis mikrobiell induzierte Erkrankungen darstellen [Kakehashi et al., 1965]. Die Minimierung von eben diesen Bakterien und des Biofilms im Wurzelkanal ist oberstes Ziel der endodontischen Therapie – so können apikale Parodontitiden, odontogene Infektionen oder resorptive Prozesse gestoppt werden, ausheilen und die knöchernen Strukturen regenerieren. Der Großteil der endodontischen Infektionen ist auf das Zahninnere begrenzt und kann durch eine lokale Behandlung über die Entfernung der nekrotischen Pulpa, die Drainage des Abszesses über die chemo-mechanische Aufbereitung des Wurzelkanalsystems oder Alle Fotos: Magdalena Ibing Abb. 1 und 2: Sofortige Pusentleerung am Zahn 21 nach Trepanation: Die Entlastung des Abszesses konnte über die Wurzelkanalpräparation und Desinfektion erreicht werden – auf ein Antibiotikum konnte verzichtet werden. Abb. 3: Irreversible Pulpitis am Zahn 12 ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 40 | ZAHNMEDIZIN

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