Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm112, Nr. 10, 16.5.2022, (960) 2021, S3-Leitlinie „Odontogene Infektionen“, 2016]. Falls die Gefahr besteht, dass sich ein Logenabszess bilden könnte, sollte ebenfalls eine Antibiotikagabe in Erwägung gezogen werden. Beispiele für Logenabszesse mit dentalem Fokus sind der Fossacanina-Abszess oder der perimandibuläre, der submandibuläre sowie der paramandibuläre Abszess [Schäfer, 2019]. Die alleinige Gabe eines Antibiotikums ohne endodontische oder chirurgische Intervention ist nur im speziellen Einzelfall eine Therapieoption und kann zu einer Chronifizierung der Infektion führen. Generell sollte das Antibiotikum eine Ergänzung und kein Ersatz für die kausale Therapie des dentalen Prozesses sein. Durch die systemische Gabe des Antibiotikums wird die ursächliche odontogene Infektion nicht therapiert, da in einer nekrotischen Pulpa oder generell im Wurzelkanal nur vernachlässigbare Konzentrationen des Antibiotikums ankommen [Fouad et al., 1996]. Diese Konzentrationen können innerhalb der infizierten Wurzelkanäle nicht zu einer Hemmung des Bakterienwachstums beitragen [Siqueira, 2011]. Unterbleibt eine kausale Therapie, kann es zu einem Rezidiv des entzündlichen Prozesses kommen. Die Dauer der Antibiotikatherapie beträgt drei bis fünf Tage bei einer etablierten Drainage des Abszesses. Hier richtet sich die Dauer der Gabe nach der klinischen Beurteilung des odontogenen Abszesses und den Entzündungsparametern. Die Patienten sollten drei Tage nach Rezeptieren des Antibiotikums erneut zur Kontrolle vorstellig werden, um gegebenenfalls eine Verlängerung der Antibiotikagabe zu prüfen [S3-Leitlinie „Odontogene Infektionen“, 2016]. Die Aufklärung der Patienten über eine weitere Behandlung sollte direkt nach der Schmerzbehandlung erfolgen. Im Fall eines erhaltungswürdigen Zahnes schließt sich nach der Trepanation und Aufbereitung des Wurzelkanals in einem weiteren Termin die Wurzelkanalfüllung an. Ein nicht erhaltungswürdiger Zahn muss entfernt werden. WELCHES ANTIBIOTIKUM BEI ODONTOGENEN ABSZESSEN? Amoxicillin stellt das Antibiotikum der ersten Wahl bei odontogenen Infektionen dar – es wirkt bakterizid. Über den oralen Zugangsweg wird das Antibiotikum mit 70 bis 90 Prozent nahezu vollständig in den Körper aufgenommen [Al-Nawas et al., 2021]. Die Resistenzrate des Amoxicillins bei odontogenen Abszessen ist mit 21 bis 50 Prozent deutlich geringer als jene des Clindamycins [Al-Nawas et al., 2021; S3-Leitlinie „Odontogene Infektionen“, 2016]. Für die Dauer von drei bis fünf Tagen sollte Amoxicillin in der Dosierung von einem Gramm dreimal täglich eingenommen werden. Das Amoxicillin führt im Gegensatz zu Clindamycin zu weniger Nebenwirkungen und verursacht geringere Kosten [Hussein et al., 2018]. Bei schweren odontogenen Infektionen mit Ausbreitungstendenz und immungeschwächten oder multimorbiden Patienten steht bei oraler Therapie die Kombination aus Amoxicillin und Beta-Lactamaseinhibitor (Clavulansäure) zur Verfügung [Eckert et al., 2012]. Diese Kombination ist sehr sinnvoll, da Resistenzen gegenüber Penicillin zu einem großen Teil auf die Induktion der bakteriellen Beta-Lactamasen zurückzuführen sind. Eine Kombination aus Amoxicillin und dem Hemmstoff dieses Enzyms ist sehr potent. Das im Handel unter dem Namen Augmentan (Glaxo SmithKline, Brentford, Großbritannien) bekannte Kombipräparat aus Antibiotikum und Enzym wird in einer Dosis 875 mg Amoxicillin und 125 mg Clavulansäure zweimal täglich für drei bis fünf Tage verschrieben [S3-Leitlinie „Odontogene Infektionen“, 2016] (Tabelle 1). Bei einer bekannten Penicillinallergie kann das Ausweich- und Reserveantibiotikum Clindamycin zur systemischen Therapie von odontogenen Infektionen eingesetzt werden [Tent et al., 2019]. Im Gegensatz zu Penicillinen weist das Clindamycin eine geringere Sensibilität gegenüber aeroben und anaeroben Bakterien auf. Im Knochen baut Clindamycin (wie Amoxicillin) einen ausreichenden Wirkspiegel auf. Um die weitere Reduktion der Sensibilität von Bakterien gegenüber Clindamycin zu vermeiden, ist es nicht empfehlenswert, Clindamycin bei odontogenen Infektionen ohne eine vorliegende PenicillinallerAbb. 5: Zahnfilm der leeren Alveole Regio 21 DR. MAGDALENA IBING Poliklinik für Parodontologie und Zahnerhaltung, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Albert-Schweitzer-Campus 1, Gebäude W30, 48149 Münster magdalena.ibing@ukmuenster.de 2011–2016: Studium der Zahnmedizin an der Westfälischen Wilhelms Universität Münster 2017–2018: Angestellte Zahnärztin in einer allgemeinzahnärztlichen Praxis seit Juni 2018: Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Poliklinik für Parodontologie und Zahnerhaltung im Department für Endodontie an der Universitätsklinik in Münster 2019: Promotion zur Dr. med. dent. 2021: Curriculum Endodontie der DGET mit Abschlussprüfung zum zertifizierten Mitglied Foto: Universitätsklinikum Münster 42 | ZAHNMEDIZIN

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