Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

biopsie entnommen. In diesem Fall musste differenzialdiagnostisch das intraossäre Hämangiom in Betracht gezogen werden. Im unbezahnten Kiefer ist die Begrenzung der Zyste von entscheidender Bedeutung. Solitäre Knochenzysten weisen häufig eine glatte Begrenzung auf, bei unscharfer Begrenzung hingegen sollten Malignomerkrankungen unbedingt ausgeschlossen werden. Eine Sonderform bildet hier der keratozystische odontogene Tumor (KZOT): eine typische, girlandenförmige Berandung ist pathognomonisch (Abbildung 8). Hämangiome im Kopf-Hals-Bereich sind insbesondere bei Kindern eine häufige Entität. Infantile Hämangiome gehören zu den häufigsten gutartigen Tumoren im Kindesalter [Rößler, 2015]. Intraossäre Hämangiome im Erwachsenenalter hingegen sind eine seltene und wenig erforschte Entität [Chandra et al., 2017; Chetan et al., 2015]. Hämangiome gehen stets mit einem deutlich erhöhten Blutungsrisiko einher [Misra et al., 2015]. Im vorliegenden Fall wurde das Hämangiom von einem Seitenast der Arteria carotis externa arteriell gespeist. Zusätzlich hatte die Patientin durch die orale Antikoagulation eine deutlich verlängerte Gerinnungszeit. Daher musste eine Biopsie zur histologischen Sicherung unter kontrollierbaren Bedingungen erfolgen. Nach der Sicherung des Befunds wird die operative Resektion im interdisziplinären Team geplant. Eine präoperative Embolisation durch die Neuroradiologie dient der Minimierung des Blutungsrisikos. Zusätzlich wird die orale Antikoagulation nach klinikinterner Leitlinie pausiert und mittels niedermolekularem Heparin in therapeutischer Dosierung perioperativ überbrückt. \ ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. UNIV.-PROF. DR. MED. DR. MED. DENT. BERND LETHAUS, MHBA Universitätsklinikum Leipzig, Klinik und Poliklinik für Mund-, Kieferund Plastische Gesichtschirurgie Liebigstr. 12, Haus 1, 04103 Leipzig Foto: Stefan Straube, UKL PD DR. DR. RÜDIGER ZIMMERER Universitätsklinikum Leipzig, Klinik und Poliklinik für Mund-, Kieferund Plastische Gesichtschirurgie, Liebigstr. 12, 04103 Leipzig Foto: Universitätsklinikum Leipzig PD DR. MED. DR. MED. DENT. ALEXANDER K. BARTELLA Universitätsklinikum Leipzig, Klinik und Poliklinik für Mund-, Kieferund Plastische Gesichtschirurgie Liebigstr. 12, Haus 1, 04103 Leipzig Foto: Stefan Straube, UKL Quelle: Rottländer modifiziert nach [Schwenzer/Ehrenfeld, 2011] und [Düker, 2000] Abb. 8: Diagnostischer Flow Chart basierend auf den Empfehlungen nach N. Schwenzer und M. Ehrenfeld sowie Düker: Die aufgeführten Pfade spiegeln jedoch lediglich Wahrscheinlichkeiten. Eine sichere Diagnose zeigt sich erst nach histopathologischer Aufarbeitung der Befunde. FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Obwohl zystische Raumforderungen des Unterkiefers vermeintlich häufig auftreten, ist eine Diagnostik nicht selten erschwert. Auch bei asymptomatischen Patienten sollte eine Diagnostik hinsichtlich der Dignität erfolgen (Abbildung 8). \ Handelt es sich um ein hypervaskuläres, intraossäres Hämangiom, sollte unbedingt ein interdisziplinäres Therapiekonzept angestrebt werden. \ Der perioperative Blutverlust kann – bei entsprechender Blutungsprophylaxe, Gerinnungsmanagement und Embolisation der zuführenden Gefäße – minimal gehalten werden. zm112, Nr. 10, 16.5.2022, (985) ZAHNMEDIZIN | 67

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