Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm112, Nr. 11, 1.6.2022, (1062) FORTBILDUNG „ANTIBIOTIKA UND RESISTENZENTWICKLUNGEN“ Systemische Antibiotika in der Parodontaltherapie: Nutzen und Risiken Raluca Cosgarea, Sven Wenzel, Karin Jepsen Die aktuelle S3-Leitlinie zur Therapie der Parodontitis mahnt einen sehr zurückhaltenden Einsatz von adjuvanten systemischen Antibiotika an. Obwohl eine begleitende Antibiotikagabe die Ergebnisse der subgingivalen Instrumentierung (Stufe 2 der Therapie – AIT) nachweislich verbessern kann, spielt die Nutzen-Risiko-Abwägung hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen und Resistenzbildungen eine sehr wichtige Rolle bei der Indikationsstellung. Im Rahmen der chirurgischen Parodontaltherapie (Stufe 3) werden häufig Antibiotika rezeptiert – zum Nutzen dieser Maßnahme gibt es jedoch wenig Evidenz. Aufgrund der Bedeutung von Bakterien in der Pathogenese der Parodontitis wird der Einsatz systemischer Antibiotika in der Parodontaltherapie bereits seit mehreren Jahrzehnten propagiert. Frühere Therapieansätze waren dadurch motiviert, spezifische parodontale Pathogene, die durch eine rein mechanische Therapie nicht zu beseitigen waren, durch Antibiotikagabe zu eliminieren und den Erfolg der Behandlung durch mikrobiologische Diagnostik nachzuweisen. Mit der heutigen Kenntnis der Komplexität des oralen beziehungsweise subgingivalen Mikrobioms und der antibiotischen Resistenz dysbiotischer subgingivaler Biofilme [Rupf & Hannig, 2021; Hagenfeld et al., 2021] besteht Einvernehmen darüber, dass eine systemische Antibiotikagabe immer mit einer mechanischen Disruption des Biofilms einhergehen und sich bei Indikation und Therapiebewertung an klinischen Kriterien orientieren sollte. Ziel ist es, durch eine adjuvante Antibiotikagabe die klinischen Ergebnisse (Reduktion von Taschensondierungstiefen/TST und Blutungsneigung/BOP, Gewinn klinischen Attachments/CAL) der mechanischen subgingivalen Instrumentierung zu verbessern. Häufig werden systemische Antibiotika auch während der Parodontalchirurgie und hier insbesondere im Rahmen regenerativer/rekonstruktiver Therapiemaßnahmen, bei denen Biomaterialien zum Einsatz kommen, verschrieben. Ziel ist hier, dadurch postoperative Infektionen beziehungsweise Komplikationen zu vermeiden und die klinischen Ergebnisse zu verbessern. Angesichts der hohen Prävalenz der parodontalen Erkrankungen in der deutschen Bevölkerung macht der Anteil der aufgrund von Parodontitis verordneten Antibiotika einen nicht unerheblichen Anteil aller zahnärztlichen Antibiotikaverschreibungen aus. In diesem Beitrag wird die aktuelle Bewertung und Einordnung der PD DR. MED. DENT. RALUCA COSGAREA Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde, Zentrum für ZMK, Universitätsklinikum Bonn, Welschnonnenstr. 17, 53111 Bonn raluca.cosgarea@ukbonn.de 2000–2005: Studium der Zahnmedizin an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg 2006–2010: Assistenzzeit in der Sektion Parodontologie, Poliklinik für Zahnerhaltung, Mund-, Zahn-, Kieferklinik, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg seit 2010: DG-PARO-Spezialistin für Parodontologie 2017–2019: Praxis Dr. Torsten Conrad, Bingen am Rhein 2017–2019: Lehrauftrag und Venia legendi für das Fach Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde an der Medizinischen Fakultät der Philipps-Universität Marburg seit 2019: Oberärztin in der Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde der Universität Bonn Foto: Lavinia Muresan 36 | ZAHNMEDIZIN

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