zm112, Nr. 11, 1.6.2022, (1073) al., 2003]. Ebenso wurde bereits in den 1980er-Jahren aus einem Staphylococcus-aureus-Stamm mit bekannten Resistenzen gegenüber Methicillin und Gentamicin ein Plasmid isoliert, das neben Resistenzen gegenüber den Antibiotika Kanamycin, Gentamicin, Tobramycin und Amikacin sowie gegen Ethidiumbromid auch Resistenz gegenüber den Antiseptika Benzalkoniumchlorid, Acriflavin und CHX vermittelte [Yamamoto et al., 1988]. Während die bisher genannten Beispiele über „typische Krankenhauskeime“ berichten, gibt es zunehmend ähnliche Berichte zu Bakterien aus der oralen Mikrobiota [Cieplik et al., 2019]. So wurden beispielsweise Bakterien aus der oralen Plaque von fünf gesunden Probanden isoliert, um diese auf Stämme mit phänotypischer CHX-Resistenz zu untersuchen [Saleem et al., 2016]. Die Isolate mit nachgewiesener CHX-Resistenz wiesen auch Resistenzen gegenüber einer Reihe von Antibiotika auf, darunter Ampicillin, Kanamycin, Gentamicin und Tetrayclin. Daher forderten die Autoren dieser Studie auch eine größere Aufmerksamkeit in Bezug auf multiresistente Bakterien in der oralen Mikrobiota und wiesen zudem auf mögliche Risiken hin, die mit einer langfristigen Verwendung von Mundpflegeprodukten mit antibakteriellen Wirkstoffen wie CHX zur Biofilmkontrolle einhergehen [Saleem et al., 2016]. Eine genomweite Assoziationsstudie (engl. genome-wide association study, GWAS) zeigte, dass bei klinischen Isolaten von Escherichia coli eine reduzierte Empfindlichkeit gegenüber CHX mit der Präsenz von tetA-Genen der Klasse B assoziiert war, die für Efflux-Pumpen kodieren und zu einer Resistenz gegen Tetracyclin führen [Royer et al., 2022]. Weiterhin wurde auch vor Kurzem bei Staphylococcus aureus die Assoziation einer reduzierten Empfindlichkeit gegenüber CHX und dem Antibiotikum Ciprofloxacin durch erhöhte Expression von Effluxpumpsystemen nachgewiesen [Truong-Bolduc et al., 2021]. Zudem muss betont werden, dass orale Mikroorganismen im Biofilm räumlich eng benachbart koexistieren und somit für horizontalen Gentransfer prädestiniert sind. Somit können entstandene Resistenzen durch den Austausch von Resistenzgenen weiterverbreitet werden [Madsen et al., 2012; Wolcott et al., 2013]. SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN Auf der Basis der vorliegenden Erkenntnisse kann aktuell keine Aussage darüber getroffen werden, ob es bereits Grund zur Besorgnis hinsichtlich einer CHX-Resistenz bei oralen Bakterien gibt. Vielmehr sollte diese Thematik differenzierter betrachtet werden: CHX zeigt trotz seiner vielfältigen klinischen Einsatzgebiete, wie in der Intensivmedizin, in Handseifen und als orales Antiseptikum, weiterhin eine hohe antibakterielle Wirksamkeit gegenüber Bakterien, die nicht in Biofilmen organisiert sind. Auf der anderen Seite gibt es zunehmend Studien, die vom Auftreten CHX-resistenter Isolate berichten. Die Verbreitung von Resistenzen gegenüber CHX hätte allerdings verheerende Folgen für das gesamte Gesundheitswesen, gerade was die Intensivpflege angeht [Kampf, 2016]. Da das Risiko, das mit dem sehr breitflächigen Einsatz von CHX in der Zahnmedizin und in Mundpflegeprodukten einhergehen könnte, derzeit kaum abzuschätzen ist, sollte diese Thematik noch stärker Gegenstand der aktuellen zahnmedizinischen Forschung werden. Hierzu ist die Kombination verschiedenster mikrobiologischer und molekularbiologischer Methoden notwendig. Grundlegend müssen Antworten darauf gefunden werden, ob der breitflächige Einsatz von CHX zu einer Anreicherung von CHX-resistenten Stämmen in der oralen Mikrobiota und dem Auftreten von Kreuzresistenzen gegenüber Antibiotika führen kann und welche molekularen Mechanismen eine CHX-Resistenz bei oralen Bakterien vermitteln können. Kliniker sollten noch stärker auf mögliche Risiken einhergehend mit einem zu breitflächigen Einsatz von Antibiotika und Antiseptika hingewiesen und hinsichtlich eines restriktiveren und risikoorientierten Einsatzes von Antibiotika und Antiseptika sensibilisiert werden. Konkret sollten aus Sicht der Autoren Mundspülungen mit CHX eher nur kurzfristig und bei entsprechender Indikation (zum Beispiel nach parodontalchirurgischen Eingriffen) beziehungsweise bei Risikopatienten (zum Beispiel Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen) eingesetzt werden. Ein langfristiger oder sogar Dauereinsatz sollte – falls immer möglich – vermieden werden. \ Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Förderung der aktuellen Arbeiten. Außerdem gilt unser Dank Dr. Nicholas S. Jakubovics (Newcastle upon Tyne, GB), Prof. Dr. Elmar Hellwig, Dr. Annette Anderson (beide Freiburg), Dr. Sara Bernardi (L’Aquila, IT), Dr. Denise Mühler (München), Prof. Dr. Tim Maisch, Heike Preuschl und Helga Ebensberger (alle Regensburg). PROF. DR. ALI AL-AHMAD Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie, Department für ZMK des Universitätsklinikums Freiburg Hugstetter Str. 55, 79106 Freiburg Foto: privat ZAHNMEDIZIN | 47
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