zm112, Nr. 11, 1.6.2022, (1076) Cholera wurden beispielsweise über eine Million Phagendosen pro Jahr produziert. Gerade die Sammlung von aufkommenden antibiotikaresistenten Bakterien machten die Georgier berühmt. Sie suchen noch heute kontinuierlich Phagen gegen neu auftretende endemische Bakterienstämme und passen ihre Cocktails regelmäßig an. In der westlichen Welt hat sich der Einsatz von Phagen im Pflanzenschutz und in der Lebensmittelindustrie etabliert. So ließ die USamerikanische Food and Drug Administration (FDA) bereits Phagenprodukte zu. Beispielsweise produziert die Firma Omnilytics unter dem Namen Agriphage® Phagen gegen Feuerbrand (Einsatz in Obstplantagen, Erreger: Erwinia amylovora). Gegen Listerien auf Fleisch und anderen Lebensmitteln kommt das Produkt ListShield® der Firma Intralytix zum Einsatz [Zündorf, 2021]. WAS SIND PHAGEN? Phagen sind Viren und in nahezu jedem Winkel der Erde zu finden, wodurch wir ihnen täglich ausgesetzt sind. Es gibt schätzungsweise 1031 Phagen auf der Welt [Hendrix, 2003]. Da sie wie alle Viren für die Vermehrung auf eine passende Wirtszelle angewiesen sind, sind sie vor allem dort zu finden, wo sich auch die passenden Bakterien wohlfühlen. Dabei sind sie hochspezialisiert und können meist nur einzelne Stämme innerhalb einer Bakterienspezies lysieren. Durch bestimmte Enzyme besitzen einige Phagen zudem die Fähigkeit Biofilme aufzulösen, wodurch sie Zugang zu den dort lebenden Bakterien erhalten. Besonders Abwässer, Böden und Kläranlagen, aber auch Menschen und Tiere sind reich an Mikroorganismen, so dass eine Isolation von Phagen aus Proben dieser Quellen möglich ist. Phagen sind mit rund 50 bis 200 Nanometer um ein Vielfaches kleiner als ein Bakterium und relativ einfach aufgebaut. Die meisten bekannten Phagen gehören zur Ordnung Caudovirales und besitzen eine sogenannte Kopf-Schwanz-Struktur. Aufgrund der – elektronenmikroskopisch sichtbaren – Morphologie erfolgt die klassische Einteilung in drei Gruppen (Abbildung 1a). Die Myoviren besitzen einen kontraktilen, langen Schwanz, die Siphoviren einen nichtkontraktilen, langen Schwanz und die Podoviren einen nicht-kontraktilen, kurzen Schwanz. Der Kopf dient zur Lagerung der DNA, während der Schwanz für die spezifische Erkennung des bakteriellen Rezeptors notwendig ist. Es gibt aber auch diverse andere Formen von Phagen, die einzelsträngige DNA oder RNA zur Speicherung der Erbinformationen nutzen. Die Größe des Genoms ist circa zehn- bis tausendfach kleiner als das von Bakterien. Doch nicht nur im Hinblick auf ihren Aufbau sind Phagen sehr divers. Taxonomisch werden durch das International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) mehr als 1.000 Spezies unterschieden [Krupovic, 2021]. Auch auf einer Agarplatte (Abbildung 1c) zeigen die Phagen in Form von Plaques („Löcher“ im Bakterienrasen) verschiedene Größen und Ausprägungen. Die Größe der Phagen, aber auch andere Wachstumsparameter, spielen bei der Plaquebildung eine Rolle. Trübe Ringe um eine klare Plaque herum – sogenannte Halos – entstehen beispielsweise, wenn Phagen Enzyme (Depolymerasen) produzieren, die die umliegenden Bakterien ebenfalls reduzieren können. WIRKUNGSWEISE VON PHAGEN Phagen sind nicht in der Lage, sich selbst zu replizieren, sondern benötigen eine passende bakterielle Wirtszelle. Sie erkennen und binden bestimmte Strukturen auf der Oberfläche der Bakterien (Rezeptoren) und injizieren anschließend ihre genetische Information aus dem Kopf ins Zytoplasma der Bakterienzelle. Nach der Infektion nutzt der Phage die Maschinerie der Bakterienzelle zu seinen Gunsten zur Vervielfältigung des Genoms. Es werden Phagenproteine wie beispielsweise Hüllproteine und Schwänze synthetisiert, die anschließend zu intakten Phagen assemblieren. Im letzten Schritt wird die Bakterienzelle lysiert. Die neu produzierten Phagen werden in die Umgebung freigesetzt. Umliegende Bakterien können nun von den neuen Phagen infiziert werden und der Prozess beginnt von Neuem. Phagen, die sich Abb. 2: Vermehrungszyklus von Phagen: Dabei wird in Phagen unterschieden, die ausschließlich den lytischen Zyklus zur Vermehrung nutzen, und in Phagen, die ins Genom des Wirtes integrieren können (lysogener Zyklus). Quelle: Rieper, Korf, Wienecke, Ziehr 50 | ZAHNMEDIZIN
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