Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm112, Nr. 11, 1.6.2022, (1080) es bisher auch an Regularien für die Herstellung, Reinheitsanforderungen und Zulassung, die an die Bedürfnisse der Phagentherapie angepasst wurden. Zwei Herangehensweisen zur Umsetzung der Phagenanwendung kristallisieren sich heraus. Während für bestimmte Indikationen fixe Cocktails entwickelt werden (etwa Phage4Cure, BiomX, Armata Pharmaceuticals), wird auch ein personalisierter Ansatz verfolgt, bei dem die Phagen patientenindividuell zusammengestellt werden (zum Beispiel PhagoFlow, Magistral Phage – Belgien, Adaptive Phage Therapeutics) (Abbildung 4). Phagen gelten in Deutschland offiziell als Arzneimittel und müssen nach Arzneimittelrecht ein Zulassungsverfahren durchlaufen. Potenzielle Investoren meiden gegenwärtig das Thema Phagentherapie nicht nur wegen der kosten-und zeitintensiven GMP-Produktionen / klinischen Studien. Auch die Tatsache, dass es bisher keine Möglichkeit gibt, Phagenpräparate auf sich entwickelnde epidemiologische Gegebenheiten durch Austausch der Phagen im Phagenpräparat anzupassen, bremst das Interesse von Pharmaunternehmen. Zudem sind einzelne natürliche Phagen an sich nicht patentierbar, da sie nicht zu den Erfindungen, sondern zu den Entdeckungen gezählt werden. Patente wären zwar beispielsweise für die Zusammenstellung bestimmter Phagen oder deren Produktionsverfahren möglich. Da diese jedoch leicht durch minimale Änderungen umgangen werden könnten, erscheinen sie in den Augen potenzieller Investoren wenig werthaltig. Demnach müssen für die Phagentherapie relevante Zulassungskriterien erstellt werden, die unabhängig vom Phagen die Anforderungen an Herstellung und Qualität regulieren. Auf EU-Ebene wurde eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich derzeit mit der Erstellung eines allgemeinen Kapitels für das europäische Arzneibuch befasst. Aber auch der Ausbau von Phagenbanken und Herstellungskapazitäten werden nötig sein, bevor Phagen eine echte Ergänzung im Kampf gegen bakterielle Infektionen darstellen können. FAZIT Phagenbasierte Wirkstoffe können als gut verträgliche und vielversprechende Alternative oder Ergänzung zu Antibiotika angesehen werden. Sie versprechen, die Therapieoptionen bei derzeit schwer zu behandelnden Infektionen zu verbessern. Damit sie jedoch dazu beitragen können, einen Weg aus der Antibiotika-Krise zu weisen, müssen noch verschiedene technische, medizinische und rechtliche Herausforderungen gemeistert werden. Dazu gehört die Festlegung von Qualitätsanforderungen, die die Patientensicherheit gewährleisten und gleichzeitig aber den Wirkmechanismus berücksichtigen. Daneben müssen die pharmakologischen Eigenschaften der Phagenrezepturen besser verstanden und die Effektivität des Einsatzes bewiesen werden. Durch die staatliche Förderung ist die Entwicklung von phagenbasierten Medikationen in den vergangenen Jahren gut vorangekommen. Erste klinische Anwendungen werden in Kürze beginnen. Die Prozesse von Forschung und Entwicklung bleiben jedoch – gerade auch in der Biotechnologie – hochgradig ergebnisoffen, so dass es gegenwärtig noch zu früh ist, einen Zeitraum zu benennen, an dem Phagenpräparate als Therapieoption regulär zur Verfügung stehen werden. \ Abb. 4: Derzeit werden zwei verschiedene Ansätze für Phagentherapien verfolgt: zum einen der klassische Ansatz, bei dem ein für eine bestimmte Indikation zugelassener fixer Phagencocktail eingesetzt wird, und zum anderen der personalisierte Ansatz, bei dem basierend auf einer Phagenbank individuell für den Patienten Phagenpräparationen zusammengestellt werden. Quelle: Rieper, Korf, Wienecke, Ziehr 54 | ZAHNMEDIZIN

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