zm112, Nr. 11, 1.6.2022, (1099) [Ruff, 2015, 37; Vollmuth/Zielinski, 2014; Thoss, 2009; Zabecki, 2014]. So lagen die primären Verletzungsmuster der Soldaten in den Schützengräben im Bereich der Brust, der oberen Extremitäten und im Kopfund Halsbereich. Folgt man den Angaben des „Sanitätsbericht über das Deutsche Heer“ verstarb fast die Hälfte aller gefallenen Soldaten an ihren Kopfverletzungen. Von den „behandelten Verwundeten“ erlitten 14,4 Prozent Kopfverletzungen [Vollmuth/Zielinski, 2014; Sanitätsbericht, 1934]. DER STAHLHELM BRACHTE NUR BEDINGT VORTEILE Auch die Entwicklung und Einführung des Stahlhelms durch den Berliner Ordinarius für Chirurgie August Bier (1861–1949) und den Ingenieur Friedrich Schwerd (1872–1953) im Jahr 1916 führte nur bedingt zu einer Verbesserung: So konnte der Stahlhelm in vielen Fällen eine tödliche Hirnschädel- oder Gehirnverletzung verhindern, gleichzeitig stieg aber der Anteil der Mund-, Kiefer- und Gesichtsverletzungen. Das heißt „die zuvor durch die Vergesellschaftung mit letalen Verletzungen klinisch irrelevanten[en]“ [Vollmuth, Zielinski, 2014] Mund-, Kiefer- und Gesichtsverletzungen traten nun erst in Erscheinung. Auch einige medizinisch-naturwissenschaftliche Innovationen der Zeit, wie die Implementierung der Konzepte von Asepsis und Antisepsis, die Einführung von (Lokal-)Anästhesieverfahren und die Entwicklung erster antibakterieller Therapien trugen dazu bei, dass einige Soldaten mit verheerenden Gesichtsverletzungen überlebten [Ilken, 2018; Krischel/ Nebe, 2022]. In der Folge stieg der spezifische Versorgungsbedarf. Die Mehrzahl der Verletzungen bildeten Schussverletzungen des Kiefers. Um eine auf dem Stand der Zeit bestmögliche Versorgung der Gesichtsversehrten zu erzielen, kooperierten im Krieg Chirurgen und Zahnärzte [Schröder, 1920]. DÜSSELDORFER LAZARETT FÜR KIEFERVERLETZTE SOLDATEN Während die Versorgung der Verwundeten im Ersten Weltkrieg durch Feldlazarette und die nachgelagerten Kriegslazarette erfolgte, benötigte man im Fall der gesichts- und kieferverletzten Soldaten entsprechende Sonderlazarette, die mit einer kieferchirurgischen Station ausgestattet waren [Ganzer, 1943; Müllerschön, 2014:37–40; Vollmuth/Zielinski, 2014]. In Düsseldorf bestand ein solches Kieferlazarett in der Sternstraße 29–33 in der Privatpraxis des Zahnarztes Christian Bruhn (1868–1942). 1908 hatte der nicht promovierte Bruhn eine Dozentur für Zahnmedizin an der neu gegründeten Düsseldorfer Akademie für praktische Medizin erhalten, 1911 erhielt er dort eine Professur [Halling, 2017:46]. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs stellte Bruhn nicht nur seine Praxisräume und die angrenzenden Soldat mit Gesichtsverletzung 1916 Foto: picture alliance_akg-images ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. GESELLSCHAFT | 73
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