Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12

zm112, Nr. 12, 16.6.2022, (1140) IMVZ KEINE STELLEN BEI ABZOCKE-MVZ ANNEHMEN! Zum Artikel „KZBV und BZÄK mahnen dringenden politischen Handlungsbedarf an: Gesundheitsversorgung gehört nicht in die Hände von Spekulanten!“, zm 9/2022, S. 22–24, und zum Leserbrief „Die Kammern haben doch ein Durchgriffsrecht“, in 10/2022, S. 8–9. Vor ein paar Wochen hatte ich ein sehr vielversprechendes Vorstellungsgespräch in einem iMVZ. In diesem wurde mir zugesichert, dass ich um einen Tag in der Woche reduzieren darf. Und die 40 Arbeitsstunden auf vier Tage verteilt werden. Keine Wochenendarbeit. Und etwas mehr Gehalt. Dass ich mein gewünschtes Gebiet in Angriff nehmen darf und auch in Absprache Freizeit für meine gewünschte Fortbildung in dem Bereich bekomme. Aber dann flatterte vor ein paar Tagen mein neuer Vertrag ins Haus. Und ich hatte das Gefühl, die Welt nicht mehr zu verstehen. Mein neuer Vertrag enthielt gleich die erste Drohung: Wenn ich nicht rechtzeitig alle nötigen Unterlagen für meine Anmeldung bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung vorweisen kann, werde ich direkt entlassen. Alle nötigen Beglaubigungen habe ich zu Hause noch irgendwo zur Hand, aber ein Führungszeugnis muss immer aktuell sein und frisch beantragt werden. Wegen Corona darf ich die Beglaubigung nicht online beantragen, sondern muss persönlich zum Amt. Und bis das Führungszeugnis da ist, dauert auch. Und bis die Kassenzahnärztliche Vereinigung meine Anmeldung als angestellte Zahnärztin erlaubt, verstreichen auch einige Tage. Daher finde ich die Aussage mit der Entlassung ein bisschen lächerlich. Hinzu kam, dass sich nicht an die Absprachen wie die 40-Stunden-Woche gehalten wurde. Ich wollte nach dem belgischen Modell arbeiten – nur vier Tage die Woche, aber alle Stunden werden dann in die vier Tage gepackt. Also pro Tag dann zehn Stunden exklusive Pause. Plötzlich stand da, dass ich bis zu 10 Prozent Überstunden machen muss. Dies würde bedeuten, pro Tag dann mindestens elf Stunden arbeiten zu müssen. Das ist aber arbeitsrechtlich nicht erlaubt. Man darf pro Tag nicht mehr als zehn Stunden arbeiten. Und zwischen zwei Schichten müssen mindestens elf Stunden Ruhephase liegen. Außerdem wurden mir 27 Urlaubstage zugesichert. Doch plötzlich stehen im Vertrag lediglich 22 Tage, da ich „ja um einen Tag reduziert“ habe. Das ist aber egal, da ich immer noch Vollzeit arbeite. Und deswegen habe ich ein Recht auf den regulären Urlaub. Der absolute Witz kam aber noch: Mein Gehalt war plötzlich viel geringer als vereinbart. Ich hätte exakt das gleiche Fixgehalt bekommen wie zu meiner Assistenzzeit. Mit dem Unterschied, dass ich neben dem Fixgehalt monatlich 1.000 Euro extra bekommen sollte als eine Art Abschlagszahlung. Das bedeutet im Klartext, mein Arbeitgeber geht davon aus, dass ich im Monat so viel Umsatz mache, sodass sich daraus eine monatliche Umsatzbeteiligung von 1.000 Euro für mich errechnen lässt. Und diesen Betrag überweist er mir vorab als monatliche Abschlagszahlung. Nach einem Jahr kontrolliert er dann, ob ich auch tatsächlich jeden Monat so viel Umsatz gemacht habe, so dass 1.000 Euro Beteiligung für mich drin sind. Und wenn ich das nicht geschafft habe, bucht er die Differenz zwischen dem Betrag, den er mir vorab gezahlt hat, und dem Umsatz, den ich tatsächlich gemacht habe, einfach zurück. Es ist eine einfache Rechnung: Mein Arbeitgeber fordert einen jährlichen Mindestumsatz von circa 200.000 Euro von mir. Und daraus errechnet er je nach Prozentsatz meine jährliche Umsatzbeteiligung von 12.000 Euro. Dieser Betrag ist quasi mein Vorschuss. Habe ich über das Jahr verteilt mehr Umsatz gemacht, ist das super und ich kriege je nachdem noch meine restliche Umsatzbeteiligung ausgezahlt. Wenn ich weniger Umsatz gemacht habe, holt er sich sein Geld zurück. Gefühlt steht man dann ein Jahr lang in der Schuld seines Arbeitgebers. Wir Zahnärzte stehen meiner Meinung nach in der Pflicht, etwas gegen diese Abzocke-MVZs zu unternehmen. Und zwar vorrangig dadurch, dass wir keinen Job bei diesen annehmen. Das ist einfach nur eine Erniedrigung für jeden Zahnarzt und für jede Zahnärztin, solch einen Vertrag vorgelegt zu bekommen. Die Stelle habe ich daher nicht angenommen. Glücklicherweise habe ich ein paar Tage später in einer niedergelassenen Praxis eine Stelle gefunden und dort einen vernünftigen Vertrag vorgelegt bekommen. Kerstin Stratbücker, Pfeffelbach Die zm-Redaktion ist frei in der Annahme von Leserbriefen und behält sich sinnwahrende Kürzungen vor. Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch in der digitalen Ausgabe der zm und bei www.zm-online.de zu veröffentlichen. Bitte geben Sie immer Ihren vollen Namen und Ihre Adresse an und senden Sie Ihren Leserbrief an: leserbriefe@zm-online.de oder an die zm-Redaktion: Zahnärztliche Mitteilungen, Chausseestr. 13, 10115 Berlin. Anonyme Leserbriefe werden nicht veröffentlicht. 10 | LESERFORUM

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