zm112, Nr. 12, 16.6.2022, (1172) HYPO- UND HYPERSALIVATION Der Einfluss von Medikamenten auf den Speichel Frank Halling Mundtrockenheit und ein verminderter Speichelfluss werden allgemein einer mit zunehmendem Lebensalter nachlassenden Aktivität der Speicheldrüsen zugeschrieben. Inzwischen geht man jedoch davon aus, dass Hyposalivation in der Mehrzahl der Fälle keine biologisch bedingte Alterserscheinung ist, sondern eher durch eine vermehrte Medikamenteneinnahme im höherem Lebensalter verursacht wird. Der Beitrag erklärt, wie Arzneimittel auf die Speichelsekretion einwirken und welche häufig verordneten Medikamente den Speichelfluss mindern oder steigern. Der Speichel stellt ein wichtiges Schutzsystem für die Zähne und die Mundschleimhaut dar und dient der Aufrechterhaltung eines ökologischen Gleichgewichts im Biotop Mundhöhle. Neben seiner Bedeutung für die Zahn- und Mundgesundheit spielt eine normale Speichelproduktion auch für das allgemeine Wohlbefinden eine Schlüsselrolle. Der Speichel wird von den drei großen, paarigen Speicheldrüsen sowie den kleinen, solitären Speicheldrüsen der Mundschleimhaut produziert. Die normale Fließrate für den unstimulierten Ruhespeichel liegt mit einer relativ großen Variabilität bei 0,3 bis 0,4 ml/min und etwa 1–1,5 l innerhalb von 24 Stunden [Klimek, 2007, 2012]. Störungen der Speichelsekretion können sich in einer Hypersialie (Hypersalivation) oder einer Hyposialie (Hyposalivation) manifestieren. Wenn Patienten subjektiv über ein Trockenheitsgefühl in der Mundhöhle klagen, spricht man von Xerostomie [Barbe, 2020]. Der Begriff Hyposalivation bezeichnet hingegen die objektiv messbare Reduktion der Speichelfließrate [Ganß und Schlüter, 2017]. Mundtrockenheit ist leider kein seltenes Phänomen, sondern ein multifaktoriell ausgelöstes physiologisches Geschehen, das jeder schon einmal erlebt hat. Das Gefühl der Mundtrockenheit entsteht in der Regel erst, wenn die Speichelproduktion auf unter 50 Prozent des physiologischen Ruhespeichels fällt [De Almeida et al., 2008]. Von einer Hypersalivation (auch Sialorrhö) kann bei einem Ruhespeichelfluss von mehr als 1 ml/min oder nach Stimulation von mehr als 3,5 ml/min ausgegangen werden [Jahn und Worek, 2010]. PHYSIOLOGIE Die Speichelsekretion wird sowohl durchs sympathische wie auch durchs parasympathische Nervensystem gesteuert [Sreebny und Schwartz, 1997]. Die Wirkungen über die cholinergen Rezeptoren (cholinerg – Struktur, die den Neurotransmitter Acetylcholin synthetisieren oder freisetzen kann; cholinerge Mittel ahmen die Wirkung von Acetylcholin nach) des Parasympathikus werden gegenüber der Sympathikusaktivität als relevanter eingeschätzt [Foth, 1999; Jahn und Worek, 2010; Ganß und Schlüter, 2018]. Der Überträgerstoff im Bereich des Parasympathikus ist das Acetylcholin, das in der Speicheldrüse mit muscarinartigen Rezeptoren reagiert und die Sekretion von serösem proteinarmem, dünnflüssigem Speichel bewirkt [Jahn und Worek, 2010]. Überträgerstoffe beim für die Speichelproduktion weniger bedeutenden Abb. 1: Soor am linken Zungenrand bei Xerostomie Foto: Frank Halling 42 | ZAHNMEDIZIN
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