Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12

zm112, Nr. 12, 16.6.2022, (1174) sympathischen Nervensystem sind Noradrenalin und Adrenalin. Damit kommt es zu einer Verminderung der Speichelproduktion und der Bildung von wenig dickflüssigem (viskösem oder muzinösem) Speichel [Jahn und Worek, 2010; Ganß und Schlüter, 2018]. Im Rahmen dieser komplexen Regulationsmechanismen sind sehr unterschiedliche Reaktionen der Speichelsekretion auf bewusste und unbewusste Reize möglich. Während Angst zu einer Verringerung des Speichelflusses führt, bewirkt die Vorstellung von Geschmacksreizen eine Stimulation des Speichelflusses. Generell wird die Speichelproduktion durch die cholinerge Stimulation erhöht und durch eine adrenerge Stimulation (mit Adrenalin beziehungsweise Noradrenalin) gesenkt. Zusätzlich unterliegt die Fließrate des unstimulierten Gesamtspeichels einem zirkadianen Rhythmus [Dawes und Kubieniec, 2004] (Abbildung 2). URSACHEN DER XEROSTOMIE Xerostomie und Hyposalivation können durch viele Faktoren ausgelöst werden [Hahn, 2018]: \ Flüssigkeitsmangel, \ Mundatmung und Schnarchen, \ Stress, \ Rauchen, \ Alkoholabusus, \ hormonelle Umstellungen (zum Beispiel Klimakterium), \ Strahlen- oder Chemotherapie, \ Speicheldrüsenerkrankungen, \ Arzneimittelnebenwirkungen. Überwiegend tritt Mundtrockenheit jedoch als unerwünschte Arzneimittelnebenwirkung auf [Miranda-Rius et al., 2015]. Verschiedene Studien belegen, dass die Xerostomie sogar einen größeren Einfluss auf die Lebensqualität hat als „harte“ Faktoren wie die Anzahl vorhandener Zähne und Implantate oder die Qualität eines Zahnersatzes [Hahnel et al., 2014; Herrmann et al., 2017]. Klinisch finden sich bei Mundtrockenheit oft Mundwinkelrhagaden, Erosionen und atrophe Mundschleimhäute mit Pilzbefall [Filippi, 2020] (Abbildung 1). HÄUFIGKEIT DER MUNDTROCKENHEIT Über die Prävalenz von Xerostomie und Hyposalivation ist wenig bekannt. Die in der Literatur berichteten Häufigkeiten liegen zwischen 5 und 46 Prozent der Bevölkerung [Villa et al., 2015]. Inzwischen geht man davon aus, dass Hyposalivation keine Alterserscheinung ist; die Prävalenz nimmt jedoch allein aufgrund der vermehrten Medikamenteneinnahme mit höherem Lebensalter zu [Cutfield und Tong, 2012]. So liegt die Prävalenz der Xerostomie bei den über 65-Jährigen bei etwa 30 Prozent und nimmt mit höherem Alter weiter zu [Ship et al., 2002; Flink et al., 2008; Delli et al., 2014]. In einer Metaanalyse konnte belegt werden, dass es mit zunehmendem Alter zu einer Verminderung der Speichelfließrate kommt [Affoo et al., 2015]. MEDIKAMENTE ALS URSACHE VON MUNDTROCKENHEIT Insgesamt können mehr als 400 Medikamente zu einer Unterfunktion der Speicheldrüsen führen – rund 80 Prozent der am häufigsten verschriebenen Medikamente gehören zu dieser Gruppe [Klimek, 2012]. Frauen leiden deutlich häufiger an einer mit Medikamenten im Zusammenhang stehenden Mundtrockenheit als Männer. Es ist allerdings lange bekannt, dass bereits bei der Einnahme von fünf verschiedenen Medikamenten die Prävalenz der Xerostomie bei 50 Prozent liegt [Nederfors et al., 1997] (Abbildung 3). Bei etwa 42 Prozent der über 65-Jährigen in Deutschland besteht eine Polypharmazie (regelmäßige Einnahme von fünf oder mehr Arzneimitteln PD DR. MED. DR. MED. DENT. FRANK HALLING Gesundheitszentrum Fulda Praxis für MKG-Chirurgie/ Plastische Operationen Gerloser Weg 23a, 36039 Fulda und Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Universitätsklinikum Marburg Baldingerstr., 35043 Marburg Dr.Halling@t-online.de Foto: privat Zirkadianer Rhythmus des Speichelflusses Quelle: Frank Halling, modifiziert nach [Dawes und Kubiniec, 2004] Abb. 2 44 | ZAHNMEDIZIN

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