zm112, Nr. 12, 16.6.2022, (1182) ÄRZTEVERBÄNDE ZU MVZ IN INVESTORENHAND „Es droht eine versorgungspolitische Monokultur“ Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), der Marburger Bund (MB) und auch der Deutsche Ärztetag warnten in Beschlüssen auf ihren Jahresversammlungen Ende Mai in Bremen vor einer zunehmenden Kommerzialisierung im Gesundheitswesen aufgrund der steigenden Anzahl von Medizinischen Versorgungszentren in Investorenhand (iMVZ). Sie wollen der Ökonomisierung des ambulanten Systems entgegentreten. Mit Sorge sieht der Vorsitzende des Vorstands der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Andreas Gassen, das Vordringen privater Geldgeber bei VZ: „Hier ist angesichts der Entwicklungen zweifellos besondere Aufmerksamkeit und eine klare Positionierung geboten“, sagte er vor den Delegierten auf der KBV-Vertreterversamlung am 23. Mai in Bremen. In manchen Fachgebieten wie der Augenheilkunde und der Radiologie seien bereits zu viele Praxen von Private Equity aufgekauft und zu Ketten beziehungsweise Zentren akkumuliert worden. Gassen: „Dort werden im Zweifelsfall nur noch die Leistungen angeboten, die eine entsprechende Rendite versprechen. Es droht eine versorgungstechnische Monokultur. Das dürfen wir nicht zulassen.“ Die Delegierten beschlossen daher, die KBV soll eine Strategie erarbeiten, die die Bedeutung des Patienten und der ärztlichen Entscheidung in der ambulanten Versorgung Rechnung trägt. Insbesondere soll einer verdrängenden Kommerzialisierung durch Medizinische Versorgungszentren entgegengetreten werden. Beachtet werden sollen die Sicherstellung von Niederlassungsmöglichkeiten für niederlassungswillige Ärzte und eine Chancengerechtigkeit für alle Gründungsberechtigten. Der Vorstand solle sicherstellen, dass die medizinische Entscheidung Vorrang vor ökonomischen Überlegungen hat. Bei nichtärztlichen MVZ-Strukturen müsse Transparenz geschaffen werden. Insgesamt müssten Maßnahmen greifen, die eine Monopolisierung verhindern. DAS PRAXISSCHILD SOLL AUSKUNFT GEBEN Die Delegierten des Marburger Bundes (MB) forderten auf ihrer Hauptversammlung am 21. und 22. Mai den Gesetzgeber auf, ein öffentliches und frei zugängliches Register für MVZ beziehungsweise vergleichbare Einrichtungen einzurichten. Daraus müsse ersichtlich sein, wie die Besitzverhältnisse und wie die wirtschaftlichen sowie medizinischen Verantwortlichkeiten verteilt sind. Um Transparenz für Patienten zu erreichen, sollte ein Hinweis auf die Trägerschaft auf dem Praxisschild verpflichtend sein. Aktuelle Untersuchungen ließen darauf schließen, dass unter diesen Besitzstrukturen höhere Kosten für die gesetzlichen Krankenkassen entstehen. Um Monopolbildungen entgegenzuwirken, schlägt der MB eine Begrenzung der kassenärztlichen Sitze pro Eigentümer und Fachrichtung vor. Auch der 126. Deutsche Ärztetag (23. bis 27. Mai) forderte den Gesetzgeber dazu auf, dem fortschreitenden Aufkauf des ambulanten medizinischen Sektors durch Private Equity und börsennotierte Aktienunternehmen Einhalt zu gebieten. „Bisherige Gesetzesänderungen verhindern nicht, dass zunehmend aus dem Solidarsystem gespeiste Ressourcen der gesundheitlichen Daseinsvorsorge zu den Shareholdern abfließen und dass sichergestellt ist, dass die Gewinne in Deutschland versteuert werden“, kritisierten die Abgeordneten. Die Ärzte sprachen sich ebenfalls für ein frei zugängliches MVZ-Register und dafür aus, die Trägerschaft auf dem Praxisschild auszuweisen. pr Foto: AdobeStock_EwaStudio 52 | POLITIK
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