zm112, Nr. 12, 16.6.2022, (1209) körpereigene Synthese im Zusammenhang mit einer unzureichenden Sonnenexposition und/oder einer nachlassenden Syntheseleistung der Haut im Alter zurückzuführen. Ein anhaltender schwerer Vitamin-DMangel führt zu einer Demineralisierung des Knochens mit dem Krankheitsbild der Rachitis beim Kind oder der Osteomalazie beim Erwachsenen. Die niedrige Konzentration an Vitamin D führt zu einer abnehmenden Effizienz der intestinalen Resorption von Kalzium und Phosphat in der Nahrung, was zu einem erhöhten Spiegel an zirkulierendem PTH (Parathormon) führt [Lips et al., 2006]. Der sekundäre Hyperparathyreoidismus erhöht den Calciumserumspiegel in einen suboptimalen Bereich und führt zur Demineralisierung des Knochens, indem durch eine erhöhte Osteoklastenaktivität das Calcium aus dem Skelett mobilisiert und die Ausscheidung von Phosphat in der Niere erhöht wird. Die Knochendichte verringert sich, womit Osteopenie und -porose begünstigt werden. Ein weiteres Ergebnis des sekundären Hyperparathyreoidismus ist die Phosphaturie, die zu einem normalen oder niedrigen Serumphosphatspiegel führt. Daraus resultiert ein Ungleichgewicht im Phosphat-Calcium-Produkt, was ein Mineralisierungsdefizit im Skelett entstehen lässt [Gröber et al., 2013]. Insbesondere bei kleinen Kindern, die wenig Mineralien im Skelett haben, können aufgrund dieses Defekts verschiedene Skelettdeformationen verursacht werden, die allgemein als Rachitis bekannt sind [Gordon et al., 2008]. Bei erwachsenen Patienten, die eine größere Knochenmasse haben und deren Epiphysenfugen geschlossen sind, finden sich in der Regel keine Skelettdeformationen und es kommt zu dem als Osteomalazie bekannten Mineralisierungsdefekt mit Entwicklung einer unkalzifizierten Knochenmatrix, verminderter Knochendichte, Muskelschwäche und Knochenschmerzen [Plotnikoff et al., 2003]. Der mit Vitamin-D-Mangel assoziierte katabole Stoffwechsel kann zu osteoporotischen Frakturen und beeinträchtigter Frakturheilung führen [Brinker et al., 2007]. Vitamin D ist nicht nur für die Physiologie des Knochens relevant, sondern auch für die Physiologie von Muskel-, Bindeund Nervengewebe und Immunzellen. Eine mit Vitamin D assoziierte Muskelschwäche hat einen starken Einfluss auf ältere Patienten und erhöht die Anzahl von Stürzen [Bischoff-Ferrari et al., 2009], was zu einem höheren Risiko für Frakturen führt. Darüber hinaus ist ein Vitamin-DMangel mit vielen chronischen Erkrankungen wie Autoimmunerkrankungen (Multiple Sklerose, Typ-1Diabetes), entzündlichen Darmerkrankungen (Morbus Crohn), Infektionen (insbesondere der oberen Atemwege), Immunschwäche, HerzKreislauf-Erkrankungen (Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, plötzlicher Herztod), Krebs (Darmkrebs, Brustkrebs, Non-Hodgkin-Lymphom) und neurokognitiven Störungen (Alzheimer-Krankheit) [Schöttker et al., 2013] assoziiert. Ein niedriger Vitamin-D-Spiegel im Serum wird auch mit Erkrankungen wie Parkinson und Arthritis in Verbindung gebracht. Ob der niedrige Vitamin-D-Spiegel im Serum ein begünstigender Faktor oder lediglich ein Symptom dieser extraossären Krankheiten ist, konnte allerdings durch Interventionsstudien bisher nicht endgültig geklärt werden [Autier et al., 2014]. PARODONTITIS UND VITAMIN-DMANGEL Parodontale Erkrankungen zeigen eine signifikante Korrelation mit niedrigen 25(OH)-Vitamin-D-Spiegeln. Dieser Sachverhalt lässt darauf schließen, dass ein unzureichender Vitamin-D-Spiegel am Voranschreiten einer parodontalen Erkrankung [Laky et al., 2017] und der chronischen Form der Parodontitis beteiligt sein könnte [Antonoglou et al., 2015]. Ob sich die Wirkung dabei jeweils nur auf die Immunzellen, das Gewebe, die Mikroorganismen [Grenier et al., 2016] oder mehrere Elemente bezieht, ist nicht geklärt. In Tierversuchen bei an Parodontitis (PA) und Diabetes erkrankten Mäusen zeigte sich, dass der gingivale Epithelproteinspiegel von VDR und PTPN2 mit dem 25Hydroxyvitamin-D-Spiegel steigt. Bei einem niedrigen Spiegel sinkt der VDRSpiegel. Das Protein NF-κB hingegen wird bei angemessenen 25Hydroxyvitamin-D 3 -Spiegel signifikant weniger produziert. Bei lediglich PA-erkrankten Mäusen führte ein suffizienter 25Hydroxyvitamin-D 3 -Spiegel zu einer verringerten Expression der phosphorylierten Januskinasen 1 (pJAK1) [Li et al., 2013]. In experimentellen Untersuchungen kann Vitamin D auf Mikroorganismen wie P. gingivalis, F. nucleatum, A. actinomycetemcomitans, S. moorei, S. mutans, die an der Entstehung einer Parodontitis beteiligt sind, je nach Konzentration inhibierend oder bakterizid wirken. Vitamin D hemmt das Wachstum von P. gingivalis durch die signifikant verringerte Expression von Virulenzfaktorgenen (VFG). Betroffen sind die VFG fimA, hagA, hagB, rgpA, rgpB und kgp, die bei der Bakterienkolonisation, Deaktivierung der Wirtverteidigungsmechanismen, Gewebezerstörung und Nahrungsakquise beteiligt sind. Zudem kann Vitamin D dosisabhängig die Aktivierung von NF-κB durch P. gingivalis inhibieren [Grenier et al., 2016]. JOSCHA GABRIEL WERNY Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Augustusplatz 2, 55131 Mainz joscha.werny@unimedizin-mainz.de Foto: Thomas Böhm PD DR. MED. DR. MED. DENT. EIK SCHIEGNITZ Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: Peter Pulkowski ZAHNMEDIZIN | 79
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