zm112, Nr. 13, 1.7.2022, (1259) JURISTISCHE EINSCHÄTZUNG DER ZÄK NORDRHEIN RECHTLICHE EINORDNUNG DER BGH-URTEILE In zwei berufsrechtlichen Verfahren hatte die Zahnärztekammer Nordrhein die Werbung von Kammerangehörigen unter anderem mit den Bezeichnungen „Kinderzahnärztin, Kieferorthopädin“ und „Kinderzahnarztpraxis“ wegen Irreführung beanstandet und wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend gemacht. Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, dass die Bezeichnung „Kinderzahnärztin“ bei den Patienten die unzutreffende Vorstellung hervorrufe, dass es sich bei der so bezeichneten Zahnärztin um eine Fachzahnärztin handelt, die eine – nicht existente – Fachzahnarztweiterbildung im Bereich der Kinderzahnheilkunde erfolgreich durchlaufen hat. Die Nähe zum „Kinderarzt“ als Kurzbezeichnung für einen entsprechenden Facharzt verstärke diesen Eindruck. Auch in der Bezeichnung „Kinderzahnarztpraxis“ sei ein Personenbezug zu eben einem „Kinderzahnarzt“ und mithin die unzutreffende Angabe einer besonderen Qualifikation enthalten. In erster Instanz hatte das Landgericht Düsseldorf in beiden Verfahren eine irreführende Werbung und somit die Unterlassungsansprüche bejaht. In zweiter Instanz hob das Oberlandesgericht Düsseldorf das erstinstanzliche Urteil in dem Verfahren „Kinderzahnarztpraxis“ auf und wies die Klage der Zahnärztekammer Nordrhein ab, da die Richter in der beanstandeten Werbung lediglich eine Angabe zur Ausstattung und Ausrichtung der Praxis sahen. In dem Verfahren „Kinderzahnärztin“ schloss sich das OLG Düsseldorf der Rechtsauffassung des LG Düsseldorf an und verwies zur Begründung der Irreführung insbesondere auf den unmittelbaren Zusammenhang mit der hier unzutreffenden Angabe als „Kieferorthopädin“. In nun dritter Instanz hat der Bundesgerichtshof in beiden Verfahren jüngst entschieden (BGH, Urteil vom 07.04.2022 – I ZR 5/21 – Kinderzahnärztin; BGH, Urteil vom 07.04.2022 – I ZR 217/20 – Kinderzahnarztpraxis). BGH-Urteil zu „Kinderzahnärztin, Kieferorthopädin“ Nach der ersten Entscheidung des BGH ist mit der Bezeichnung „Kinderzahnärztin“ jedenfalls in direktem Zusammenhang mit der Bezeichnung „Kieferorthopädin“ eine Irreführung verbunden. Der angesprochene Patient erwarte, dass die sich so bezeichnende Zahnärztin über eine besondere, gegenüber staatlichen Stellen nachgewiesene Qualifikation im Bereich der Kinderzahnheilkunde erfügt. Dies war nicht gegeben. Der Bundesgerichtshof verweist in seinen rechtlichen Erwägungen auf das – hier von der Zahnärztekammer Nordrhein als Klägerin wahrgenommene – Interesse, die von einer Zahnarztwerbung angesprochenen Verkehrskreise vor Fehlvorstellungen hinsichtlich der Qualifikation des werbenden Zahnarztes zu schützen. Demnach sei es einem im Bereich der Kinderzahnheilkunde tätigen Zahnarzt grundsätzlich zumutbar, zur Vermeidung einer durch die Verwendung des Begriffs „Kinderzahnarzt“ im Einzelfall entstehenden Fehlvorstellungen, er habe einen Weiterbildung zum Fachzahnarzt absolviert, bei der Bewerbung seiner fachlichen Qualifikation auf andere, weniger verwechslungsfähige Begriffe auszuweichen, die ihre besondere fachliche Qualifikation konkret benennen. Wegen der ebenfalls beanstandeten Werbung mit der isolierten Bezeichnung „Kinderzahnärzte“ (ohne einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Bezeichnung „Kieferorthopädin“) hat der BGH den Rechtsstreit an das OLG Düsseldorf zurückverwiesen, da es vor einer richt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.11.2020, Az.: I 20 U 87/19) die Klage der Kammer abgelehnt, während das Landesgericht Düsseldorf der Klage in erster Instanz stattgegeben hatte. In der Begründung des OLG hieß es Ende 2020: Die Verbraucher und die Adressaten der Werbung, also die Eltern, erwarten von einer „Kinderzahnarztpraxis“ nur, dass sie bereit sei, Kinder mit ihren besonderen Bedürfnissen zu behandeln und über eine kindgerechte Praxisausstattung verfüge. Sie hätten nicht die Vorstellung, dass die behandelnden Mediziner besondere fachliche Kenntnisse der Zahnheilkunde hätten. Die Zahnärztekammer legte daraufhin Revision zum Bundesgerichtshof ein (BGH; Urteil vom 07.04.2022, Az. I ZR 217/20) Dies blieb ohne Erfolg. Die Praxis darf weiter als „Kinderzahnarztpraxis“ werben. In einem weiteren Verfahren zu ähnlichen Begrifflichkeiten der „Kinderzahnärztin, Kieferorthopädin“, das ebenfalls die ZÄK Nordrhein angestoßen hat, entschied der Bundesgerichtshof jedoch, dass eine Irreführung vorliege und die Werbung unzulässig sei. Denn bei der Werbung mit „Kinderzahnärztin“ in Verbindung mit „Kieferorthopädin“ erwarte der Patient von der Zahnärztin eine besondere, gegenüber staatlichen Stellen nachgewiesene Qualifikation im Bereich der Kinderzahnheilkunde. Offen bleibt nun noch die Entscheidung über die Werbung mit der alleinigen Bezeichnung „Kinderzahnarzt“. Hierzu hat der BGH noch einmal an das OLG Düsseldorf zurückverwiesen. LL POLITIK | 17
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