zm112, Nr. 13, 1.7.2022, (1260) abschließenden Entscheidung weiterer Feststellungen zur Irreführung bedarf. Die oben genannten Wertungen des BGH zur Zumutbarkeit, auf andere Begriffe als „Kinderzahnarzt“ auszuweichen, wird in diesem Zusammenhang sicherlich Berücksichtigung finden müssen. BGH-Urteil zu „Kinderzahnarztpraxis“ Nach der zweiten Entscheidung des BGH ist mit der Angabe „Kinderzahnarztpraxis“ allerdings keine Irreführung verbunden. Denn der mit der Werbung angesprochene Patient erwarte nach Auffassung der Bundesrichter lediglich, dass die Ausstattung einer solchen „Kinderzahnarztpraxis“ kindgerecht ist und die dort tätigen Zahnärzte für die Belange von Kindern aufgeschlossen sind. Der Patient gehe aber nicht davon aus, dass die dort tätigen Zahnärzte über besondere fachliche Kenntnisse im Bereich der Kinderzahnheilkunde verfügen. Die genannten Voraussetzungen waren in dem vorliegenden Fall erfüllt und nicht weiter streitig. Das Verfahren „Kinderzahnarztpraxis“ ist damit rechtskräftig abgeschlossen. Fazit Im Rahmen der Berufsaufsicht wäre für alle Beteiligten eine einheitliche Entscheidung zu „Kinderzahnarztpraxis“ und „Kinderzahnarzt“ wünschenswert gewesen, um klare Vorgaben für die zahnärztliche Werbung zu erzielen. Auch in der Praxisbezeichnung „Kinderzahnarztpraxis“ ist der Wortbestandteil „Kinderzahnarzt“ enthalten, so dass eine unterschiedliche Einschätzung der Irreführungsgefahr bei den Begriffen „Kinderzahnarzt“ und „Kinderzahnarztpraxis“ nur schwer nachvollziehbar ist. In rechtlicher Hinsicht ist dies dadurch zu erklären, dass als zentraler Aspekt bei der Prüfung einer solchen Irreführungsgefahr die sog. Verkehrsauffassung zu ermitteln ist. Es ist also festzustellen, wie eine Werbung verstanden wird. Hierfür ist nach dem UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) auf die Sichtweise des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbrauchers abzustellen, der zur angesprochenen Gruppe gehört. Im vorliegenden Fall wurde auf die Sichtweise der Eltern abgestellt, die für ihre Kinder einen Zahnarzt suchen, und auf ältere Kinder, die bereits selbstständig zahnärztliche Leistungen nachfragten oder über den Behandler mitentscheiden. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH bedarf es aber im Allgemeinen keines durch eine Meinungsumfrage untermauerten Sachverständigengutachtens, um das Verkehrsverständnis zu ermitteln, wenn die Mitglieder des Gerichts selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören. Sodann können die Richter das Verständnis der Werbung selbst beurteilen. Es handelt sich insoweit um eine tatrichterliche Würdigung durch die Anwendung spezifischen Erfahrungswissens und nicht um die Klärung einer Rechtsfrage. Und hierdurch ist es in den Instanzen zu unterschiedlichen Feststellungen des Verkehrsverständnisses und in der Folge auch unterschiedlichen Bewertungen der Irreführungsgefahr gekommen. Dies wirft die Frage auf, zu welchem Ergebnis eine weitergehende und repräsentative Ermittlung der Verkehrsauffassung bei den tatsächlich von der Werbung angesprochenen Personen gekommen wäre. Im Ergebnis führt der BGH seine Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Werbung mit Qualifikationen konsequent fort (so zuletzt BGH, Urteil vom 29.07.2021, I ZR 114/20 – Kieferorthopädie). So wird es in Zukunft noch weit mehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommen, sowohl hinsichtlich der tatsächlichen Qualifikation des werbenden Zahnarztes als auch hinsichtlich der individuellen Ausgestaltung der Werbung. Verfahren „Kinderzahnarztpraxis“ – rechtkräftig abgeschlossen LG Düsseldorf, Urteil vom 28. Juni 2019, 38 O 189/18 OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. November 2020, I-20 U 87/19 BGH, Urteil vom 7. April 2022, I ZR 217/20 Verfahren „Kinderzahnärztin“ – noch nicht abgeschlossen LG Düsseldorf, Urteil vom 28. März 2019, 37 O 82/18 OLG Düsseldorf, Urteil vom 10. Dezember 2020, I-20 U 38/19 BGH, Urteil vom 7. April 2022, I ZR 5/21 DR. IUR. KATHRIN THUMER Justitiarin Leiterin der Rechtsabteilung der Zahnärztekammer Nordrhein Foto: 18 | POLITIK
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