Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 13

zm112, Nr. 13, 1.7.2022, (1267) schau der Befunde für eine adjuvant kurative Radiatio der Primärtumorregion, der Level der Metastasen sowie einer elektiven Bestrahlung der cervikalen Low-risk-Abflussgebiete ausgesprochen. Die Bestrahlung erfolgte von Ende Juli bis Anfang September 2019 mit einer Gesamtdosis von 64 Gy. Aufgrund der unauffälligen Anamnese und der multiplen Malignome unterschiedlicher Lokalisationen wurde der Patient an die humangenetische Abteilung der Universitätsmedizin Mainz angebunden. Die genetische Analyse offenbarte das Vorhandensein eines Li-FraumeniSyndroms, allerdings erst mehrere Monate nach Abschluss der Strahlentherapie. Die posttherapeutische Nachsorge wurde weiterhin über unsere Poliklinik durchgeführt. Die monatlichen Nachsorgetermine wurden durch den Patienten eingehalten. Hier ergaben sich zunächst keine Anhalte auf ein Lokalrezidiv oder eine Metastasierung im Bereich der Kopf-Hals-Region. Im Rahmen der halbjährlichen radiologischen Kontrolle im März 2022 zeigte sich eine eingeschmolzene Struktur im Bereich der linken Parotisloge mit Infiltration des Musculus Masseter sowie der Gefäßloge (Abbildung 4). Bildmorphologisch bestand somit der Verdacht einer ausgedehnten Metastasierung mit fraglicher Resektabilität des kompletten Befunds. Nach erneuter Vorstellung in der interdisziplinären Tumorkonferenz wurde sich aufgrund der speziellen Anamnese des Patienten gegen eine weitere Strahlentherapie und für eine erneute chirurgische Therapie im Sinne einer Salvage-Operation zur Verbesserung der Lebensqualität ausgesprochen. Zusätzlich wurde der Patient an die hämatoonkologische Abteilung zur Evaluierung einer möglichen Target-Therapie angebunden. Die Operation zur Resektion der zervikalen Metastase erfolgte im April 2022. Hierbei erfolgte eine R0-Resektion des Befunds im Sinne einer radikalen Parotidektomie mit weiteren Resektionen im Bereich des linken Musculus masseter sowie der Gefäßloge. Aufgrund der Adhärenz des Befunds zum Nervus facialis war eine Durchtrennung mit anschließender Rekonstruktion des Nervens nötig (Abbildung 5). Nach dem weiteren unauffälligen postoperativen Verlauf konnte der Patient in die ambulante Nachsorge entlassen und für die weitere Therapie und Nachsorge an die Ambulanz des Universitären Centrums für Tumorerkrankungen angebunden werden. Die anfänglich bestehende Schwäche des Stirn- und des Augenastes des N. facialis war im weiteren Verlauf unter Beübung regredient. DISKUSSION Das Li-Fraumeni-Syndrom (LFS) wird als eine seltene genetische Erkrankung mit einer Prädisposition zur Entwicklung verschiedener Krebsarten der betroffenen Individuen definiert [Sejben et al., 2019]. Frederik Li und Joseph Fraumeni Jr. beschrieben die Erkrankung 1969 als erste in vier Familien mit einem spezifischen Tumorspektrum. Die Prävalenz der Erkrankung wird mit 1:5.000 angegeben, wobei sich die Prävalenzen interregional deutlich unterscheiden können. Die Vererbung des LFS erfolgt autosomal-dominant. Es gilt als eines der aggressivsten Krebsprädispositionssyndrome, die derzeit bekannt sind. Grundlage bilden hierbei heterozygote Keimbahnalterationen, die das p53-Gen betreffen, das wiederum das p53-Protein kodiert [Malkin et al., 1990]. Das p53-Protein fungiert normalerweise als eine Art Wächter des humanen Genoms und sorgt bei DNA-Schäden oder zellulärem Stress für die Initiierung verschiedener Prozesse wie Apoptose, DNA-Reparatur oder der Regulierung des zellulären MetabolisAbb. 2: CT in axialer Schicht auf Höhe des Primärtumors Abb. 3: CT in axialer Schicht auf Höhe der zervikalen Lymphknoten Quelle: Peer W. Kämmerer Quelle: Peer W. Kämmerer DR. PHILIPP MATHEIS Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55116 Mainz philipp.matheis@unimedizin-mainz.de Foto: privat CME AUF ZM-ONLINE Li-Fraumeni-Syndrom Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie zwei CME-Punkte der BZÄK/DGZMK. ZAHNMEDIZIN | 25

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