zm112, Nr. 13, 1.7.2022, (1284) [Grossi und Genco, 1998; Genco und Bognakke, 2020]. Neben der erwähnten schwierigeren glykämischen Einstellbarkeit der Diabetespatienten ist durch das Vorliegen von (schwerer) Parodontitis auch das Risiko für Folgeerkrankungen des Diabetes erhöht; dies betrifft diabetische Retinopathie, Neuropathie, Nephropathie, kardiovaskuläre Komplikationen wie auch die Sterblichkeit [Nguyen et al., 2020]. Aus diesen klinischen Zusammenhängen und Einflüssen ergeben sich einige praktische Implikationen für Diagnostik, Therapie und Prävention in der zahnärztlichen Praxis. (Dieses Thema wird in Teil 2 dieses Beitrags in der zm 14/2022 näher beleuchtet und dargestellt.) DIABETES UND WEITERE ORALE BESONDERHEITEN Aufgrund der komplexen Einflüsse, die eine diabetische Grunderkrankung auf den Gesamtorganismus sowie die Mundhöhle haben kann, ergeben sich jedoch darüber hinausgehende orale Erkrankungsrisiken (Abbildung 3). In diesem Zusammenhang ist insbesondere der reduzierte Speichelfluss von Diabetikern bedeutsam, der aus einer Diabetes-assoziierten Polyurie und damit verbunden Dehydrierung resultiert [Lopez-Pintor et al., 2016]. Die Veränderung des Speichelflusses wird zudem durch das gemeinsame Auftreten von Diabetes und weiteren Erkrankungen wie beispielsweise Niereninsuffizienz mit Dialysepflichtigkeit verstärkt [Schmalz et al., 2017]. Die Diabetes-assoziierte Xerostomie führt wiederum in Kombination mit einem erhöhten Glukosespiegel im Speichel sowie einem verstärkten Vorkommen exponierter Wurzeloberflächen infolge von Parodontalerkrankungen zu einem erhöhten Kariesrisiko, vornehmlich im Wurzelbereich [Beheshti et al., 2021]. Weiterhin führen eine verstärkte Kariesprogression auf der einen und eine Durchblutungsverminderung der pulpalen und periapikalen Gewebe auf der anderen Seite zum verstärkten Auftreten endodontischer Krankheitsbilder [Segura-Egea et al., 2012]. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist das Auftreten von Mundschleimhauterkrankungen; bedingt durch Xerostomie, Immunkompromittierung und Durchblutungsverringerung kommt es unter anderem häufiger zu CandidaInfektionen, Wundheilungsstörungen und lichenoiden Veränderungen [Guggenheimer et al., 2000; PetrouAmerikanou et al., 1998]. Weiterhin ist beschrieben, dass es im Zusammenhang mit Diabetes mellitus zu Missempfindungen im Mundbereich kommen kann, wobei vorrangig das Burning-Mouth-Syndrom sowie Geschmacksirritationen beobachtet wurden [Mauri-Obradors et al., 2017]. Ein weiteres orales Erkrankungsbild, das in Verbindung mit Diabetes stehen kann, stellen periimplantäre Erkrankungen dar; wenngleich die Datenlage insgesamt noch unzureichend erscheint, existieren hier ebenfalls mögliche Zusammenhänge – auch in Abhängigkeit von der Einstellgüte des Diabetes [Monje et al., 2017]. Klinisch ergeben sich oftmals komplexe Auswirkungen, die zusätzlich durch das Vorliegen parodontaler Vorerkrankungen und implantatspezifischer Aspekte beeinflusst werden können (Abbildung 4). In der Summe illustriert diese Darstellung, dass die oralen Probleme bei Diabetespatienten deutlich über Parodontitis hinausgehen, woraus sich die Notwendigkeit umfassender Betreuungsansätze in der zahnärztlichen Praxis ergibt. EINORDNUNG IN EIN RISIKOPROFIL Parodontitis und Diabetes sind über immunologische und klinische Zusammenhänge sowie einen gemeinRISIKOPROFILE VON DIABETESPATIENTEN FÜR DIE ZAHNÄRZTLICHE BETREUUNG Gering Moderat Hoch Tab. 3, Quelle: Gerhard Schmalz Komplikationsrisiko Kein Diabetesassoziiertes Risiko Diabetes, HbA1c < 8% Risiken: Hypoglykämie während Therapie, moderat beeinflusste Wundheilung, moderates Risiko für systemische infektiöse Komplikationen Diabetes, HbA1c ≥ 8%, Risiken: Hypoglykämie während Therapie, beeinflusste Wundheilung, Risiko für systemische infektiöse Komplikationen Entstehungsrisiko oraler Erkrankungen Kein Diabetesassoziiertes Risiko Diabetes, HbA1c < 7%, moderates Entstehungsrisiko für Parodontitis, (Wurzel-)Karies, Mundtrockenheit, Mundschleimhautveränderungen Diabetes, HbA1c ≥7%, hohes Entstehungsrisiko für Parodontitis, (Wurzel-)Karies, Mundtrockenheit, Mundschleimhautveränderungen Progressionsrisiko oraler Erkrankungen Kein Diabetesassoziiertes Risiko Diabetes, HbA1c < 7%, moderates Progressionsrisiko für Parodontitis (Grad B), (Wurzel-) Karies, Mundtrockenheit, Mundschleimhautveränderungen Diabetes, HbA1c ≥7%, hohes Progressionsrisiko für Parodontitis (Grad C), (Wurzel-) Karies, Mundtrockenheit, Mundschleimhautveränderungen PROF. DR. DIRK ZIEBOLZ, MSC. Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Funktionsbereich Interdisziplinäre Zahnerhaltung und Versorgungsforschung, Universität Leipzig Liebigstr. 12, Haus 1, 04103 Leipzig Foto: privat 42 | ZAHNMEDIZIN
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