zm112, Nr. 13, 1.7.2022, (1311) Auch im Film des 20. und des 21. Jahrhunderts werden Zähne und der Eingriff in den Mundraum dargestellt. Beispiele hierfür sind die spitzen, raubtierartigen Zähne, mit denen der Vampir Nosferatu beispielsweise von Friedrich Wilhelm Murnau (1922) oder Werner Herzog (1979) in Szene gesetzt wurde [Rizert, 2012, 141–142], oder die „alles um sich herum zermalmenden und verschlingenden“ [Böhme, 2013, 64] Eisenzähne des „Beißers“ im James-Bond-Film Moonraker (1979) [Wittmann, 2013, 288] (Abbildung 5). In der Verfilmung des Fantasy-Epos „Herr der Ringe“ (2001–2003) weisen die schiefen, gelbbraunen Reißzähne der menschenfressenden Orks auf deren moralische Defizite hin, während die Gebisse der Helden gerade und weiß sind und damit ihren guten Charakter unterstreichen [McLarty, 2006]. Wie sehr etwa Gesichtsverletzungen verwundete Soldaten in ihrem Selbstverständnis verunsichern konnten, haben wir jüngst gezeigt [Nebe/ Krischel, 2022b]. Einige Leser (und Patienten) werden sich auch noch an John Schlesingers „Marathon Man“ (1976) erinnern, in dem der ehemalige KZ-Zahnarzt Christian Szell (gespielt von Oliver Lawrence) den Protagonisten Thomas „Babe“ Levy (Dustin Hoffman) auf einem Zahnarztstuhl fixiert und foltert. Besonders qualvoll ist dabei das schrille Geräusch des Bohrers, das sich nicht nur in den nicht betäubten Nerv von Levy bohrt, sondern ebenfalls ins Gedächtnis der Zuschauer einbrennt [Beier, 2013, 293]. Diese Beispiele zeigen, dass Zähne im Film etwas über Menschliches und Unmenschliches aussagen und gesellschaftliche Ängste reflektieren können. FÜR EINE KULTURGESCHICHTE DER MUNDGESUNDHEIT Die Dimensionen des Mundraums sind damit so vielfältig und omnipräsent wie die Disziplinen, die sich damit beschäftigen. So erstreckt sich die Metaphorik des Oralen und Dentalen weit über die Deutungshoheit von modernen Zahnärzten hinaus und eröffnet Perspektiven für eine neue Kulturgeschichte der Mundgesundheit und Zahnmedizin. Grund genug also für die Zahnärzteschaft, noch einmal über ihre Position zum eigenen dental-historischen Erbe nachzudenken und „sich ihrer eigenen kulturschaffenden und -beeinflussenden Funktion stärker bewusst zu werden“ [Hofer/Sauerteig, 2007, 132]. Das Wissen um und das Bewahren von kulturhistorisch wertvollen Artefakten (Kunstwerken, alten Instrumenten), das Sammeln, Beforschen und Ausstellen von Objekten aus der Geschichte der Zahnmedizin und ein breiter kulturhistorischer Horizont mit Bezug zum „Oralen“ haben das Potenzial, die Zahnmedizin als Profession in ihrer Geschichte und in der heutigen Gesellschaft zu verankern [Krischel/Nebe, 2022a]. \ Abb. 5: Der „Beißer“ Richard Kiel (r.) und Roger Moore bei den Dreharbeiten zum James-Bond-Film Moonraker, 1979 Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | United Artists ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. GESELLSCHAFT | 69
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