zm112, Nr. 14, 16.7.2022, (1417) Hausarzt oder Internisten erforderlich. Dort erfolgt zur diagnostischen Sicherung eine laboranalytische Erfassung des Blutglukose- und/oder HbA1c-Wertes sowie in der Regel weiterführend ein oraler Glukosetoleranztest (oGTT). Bei letzterem wird die Blutglukosekonzentration sowohl nüchtern als auch zwei Stunden nach der Einnahme einer Glukoselösung bestimmt [MüllerWieland et al., 2016]. Anhand dieser Untersuchungen ist final die Unterscheidung zwischen abnormer Nüchternglukose, gestörter Glukosetoleranz und manifestiertem Diabetes mellitus möglich. Bewertung der Verfahren in der Praxis Die Bestimmung des Glukose- und/ oder HbA1c-Wertes im Blut hat eine hohe Sensitivität [Glurich et al., 2018], allerdings gehören solche Untersuchungen (noch) nicht zum Standardrepertoire zahnärztlicher Leistungen – auch im Hinblick auf die aufwendige Abrechnung über eine private Analogposition. Ohnehin darf aktuell durch den Zahnarzt keine Diagnose bezüglich einer Diabeteserkrankung erfolgen und es bleibt immer die Diagnosesicherung durch den Hausarzt/Internisten erforderlich [Ziebolz et al., 2019]. Insgesamt sind die Invasivität der Blutentnahme, für den Patienten entstehende Kosten und die Tatsache, dass Blutentnahmen in der Zahnarztpraxis eher ungewöhnlich für Patienten sind, mögliche Hemmnisse. Ein Fragebogen-basiertes Screening bietet dagegen eine noninvasive Option, die sowohl im Praxisalltag umsetzbar ist als auch von den Patienten gut akzeptiert wird [Schmalz et al., 2021; Ziebolz et al., 2019; Grennberg et al., 2010; Cevik Akyil et al., 2014]. Mit dem FINDRISK-Fragebogens können Patienten, die ein erhöhtes Risiko für eine Diabetes-Erkrankung haben, ermittelt werden [Schmalz et al., 2021; Ziebolz et al., 2019]. Das Screening kann zwar bei allen Patienten in der zahnärztlichen Praxis Anwendung finden, jedoch scheint der gezielte Einsatz bei älteren Patienten (> 64 Jahre) und bei Patienten mit einer schweren (behandlungsbedürftigen) und/oder therapierefraktären Parodontitis (Stadien 3 und 4) mit aktiven Entzündungszeichen (insbesondere Suppuration) sinnvoll zu sein [Schmalz et al., 2021]. Insgesamt weist die Methode sowohl eine hohe Sensitivität als auch Spezifität auf (75 bis 80 Prozent). So können mittels FINDRISK-Fragebogen acht bis zehn Prozent der Fälle mit einem zuvor unbekannten Diabetes mellitus aus einem Patientenpool von parodontal vorerkrankten Patienten identifiziert werden [Schmalz et al., 2021; Ziebolz et al., 2019]. Das FINDRISKbasierte Screening ist zeitlich und apparativ wenig aufwendig; so kann die Beantwortung des Fragebogens im Wartebereich oder Zuhause erfolgen, während die Auswertung des Punktwerts und die Zuweisung zum Hausarzt mittels (standardisiertem) Arztbrief wenige Minuten in Anspruch nehmen. Eine mögliche Implikation dieses Ansatzes in die Therapiestufe 1 der systematischen Parodontitistherapie zeigt Abbildung 3. Insgesamt ist das Diabetes-Screening eine effektive Methode, um vor allem bei Patienten mit einer schweren oder therapieresistenten Parodontitis eine systemische Komponente im Sinne einer Diabetes-mellitus-Erkrankung zu detektieren (Abbildung 4). IMPLIKATIONEN ZUR BETREUUNG VON DIABETESPATIENTEN IN DER PRAXIS Aus diesem Beitrag ergeben sich einige Punkte, die für ein zielgerichtetes Fürsorgekonzept von Diabetespatienten in der zahnärztlichen Praxis relevant sind – diese sollten in einem vollumfänglichen, fallorientierten Betreuungskonzept zusammengesetzt werden. Grundsätzlich funktioniert eine optimale Therapie und präventive Nachsorge nur in einem gemeinsamen interdisziplinären/synoptischen Ansatz zwischen Zahn- und Allgemeinmedizinern, wobei die Mundgesundheit und die Stabilität der glykämischen Einstellung auf verschiedenen Säulen fußen (Abbildung 5). Sinnvoll ist, dabei alle Mitglieder des zahnmedizinischen Teams (Zahnarzt, DH, ZMP) wie auch des allgemeinmedizinischen Teams (Hausarzt, Diabetologe, Diabetesassistenz, Ernährungsberatung) sowie den Patienten selbst und gegebenenfalls Angehörige einzubeziehen (Abbildung 6). Abb. 6: Zur Betreuung von Diabetespatienten ist ein Netzwerk erforderlich. Hier erfüllen alle Mitglieder des zahnmedizinischen und des allgemeinmedizinischen Teams gemeinsame Aufgaben in einem interdisziplinären Verbund. Quelle: Gerhard Schmalz PROF. DR. DIRK ZIEBOLZ, MSC. Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Funktionsbereich Interdisziplinäre Zahnerhaltung und Versorgungsforschung, Universität Leipzig Liebigstr. 12, Haus 1, 04103 Leipzig Foto: privat ZAHNMEDIZIN | 71
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=