zm112, Nr. 14, 16.7.2022, (1423) anteiliger Hyoidresektion noch in der darauffolgenden Woche in Allgemeinanästhesie. Über einen transversal-zervikalen Zugang in Projektion auf das Os hyoideum (Abbildung 3a) zeigte sich der nach kaudal gelegene Zystenbalg zwischen den Bäuchen der infrahyoidalen Muskulatur (Abbildung 3b). Nach behutsamem Ablösen des M. geniohyoideus erfolgte die Kontinuitätsdurchtrennung des Zungenbeins sowie das Absetzen des rudimentären Ductus thyreoglossus nach Verfolgung bis in den Mundboden (Abbildungen 3c und 3d). Noch am selben Tag (Abbildung 4) konnte die Patientin nach unauffälligem postoperativen Verlauf unter antibiotischer Abschirmung für drei Tage in die Häuslichkeit entlassen werden. Histopathologisch zeigte sich eine mehrfach gekammerte, überwiegend von respiratorischem Epithel und partiell von Plattenepithel ausgekleidete Zystenwand mit begleitender geringgradiger chronisch-granulierender und resorptiver Entzündung, so dass der Befundbericht die Verdachtsdiagnose einer Ductus-thyreoglossusZyste bestätigte. Nach Abschluss der Wundheilung und Nahtentfernung erfolgt die regelmäßige sonografische Nachsorge einmal im Jahr. DISKUSSION Schwellungen im oberen Halsbereich lassen sich auf unterschiedlichste Ursachen zurückführen, wobei eine der häufigsten die mit Schilddrüsenerkrankungen assoziierte Struma ist. Differenzialdiagnostisch sollten immer auch Lymphknotenschwellungen – sowohl periinfektiös wie im Rahmen maligner Geschehen – Beachtung finden. Darüber hinaus stellen Halszysten mit einer zweigipfeligen Altersverteilung eine häufige Diagnose dar. Die Häufigkeitsgipfel liegen im ersten und im fünften Lebensjahrzehnt, wobei Halszysten mit 70 Prozent den größten Anteil aller angeborenen Halsanomalien ausmachen [Allard, 1982; Moergel et al., 2009]. Die Inzidenz liegt bei 2,2 neuen Fällen pro 100.000 Einwohner im Jahr [Thompson, 2017]. Während die Häufigkeitsverteilung zwischen Männern und Frauen gleich ist, kommt es bei männlichen Patienten zu einer deutlich früheren Manifestation bereits im Kleinkind- und Kindesalter [Ren et al., 2011, Thompson et al., 2016]. Im Unterschied dazu wird die mediane Halszyste bei Frauen häufig erst im jungen Erwachsenenalter symptomatisch. Abhängig von der Lokalisation und der Ätiologie lässt sich die laterale von der medianen Halszyste differenzieren. Während die mediane Halszyste auf Residuen des Ductus thyreoglossus zurückzuführen ist, herrscht in der Literatur noch Uneinigkeit über die Ätiologie der lateralen Halszyste. Diskutiert werden Überreste des zweiten bis vierten Kiemenbogens und Residuen des Sinus cervikalis, aber auch Epitheleinschlüsse in cervikalen Lymphknoten [Kämmerer et al., 2008]. Die Entwicklung der Schilddrüse beginnt embryologisch als Epithelknospe median an der ventralen Wand des zweiten Kiemenbogens, dem späteren Foramen caecum linguae der Zunge, am Ende der dritten Woche der Embryonalentwicklung. Von dort aus wächst die Schilddrüsenanlage nach kaudal und erreicht in der siebten Woche ihre terminale, adulte Lokalisation, den prätrachealen inferioren Halsbereich. Der bei diesem Deszensus entstehende Gang wird als Ductus thyreoglossus bezeichnet und bildet sich regelhaft bis zum Ende der achten Woche vollständig zurück. Bei ausbleibender vollständiger Rückbildung, dem Vorhandensein von Residuen oder zurückgebliebenen Zellen im ehemaligen Ductus thyreoglossus können sich allerdings in der gesamten Medianlinie des Halses Zysten oder auch Fisteln ausbilden [Organ und Organ, 2000; Chon et al., 2007; Chou et al., 2013]. Klinisch manifestiert sich die mediane Halszyste als median gelegene, weichverschiebliche Schwellung des Halses. Von diesen Schwellungen sind 75 bis 85 Prozent unterhalb des Os hyoideum lokalisiert, obwohl sie im gesamten Bereich zwischen Foramen caecum der Zunge und Jugulum auftreten können. Beim Schluckvorgang oder der Protrusion der Zunge verschiebt sich die Zyste nach kranial aufgrund der meistens bestehenden CME AUF ZM-ONLINE Schmerzlose Schwellung des Halses: die mediane Halszyste Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie zwei CME-Punkte der BZÄK/DGZMK. Abb. 2: MRT in T1-Wichtung in axialer (a) und coronarer (b) Ebene mit Darstellung der prätracheal, lateral-ventral des Os hyoideum gelegenen zystischen Raumforderung Quelle: Peer W. Kämmerer b a ZAHNMEDIZIN | 77
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