Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15-16

zm112, Nr. 15-16, 16.8.2022, (1481) Bei der Besprechung des histopathologischen Befunds erinnerte sich die Patientin dann an eine Operation an der linken Niere im Jahr 2003, bei der ein Tumor entfernt worden sei. Bei der sich anschließenden StagingUntersuchung mittels nativer Computertomografie des Thorax kamen multiple pulmonale Rundherde mit hilären Lymphknoten beidseits, eine vergrößerte weiter abklärungsbedürftige Glandula thyroidea und ein konfluierendes Lungenemphysem zur Darstellung. Die Untersuchung musste bei in der Vorgeschichte stattgehabtem anaphylaktischem Schock nach der Gabe von jodhaltigem Kontrastmittel nativ durchgeführt werden. Die weitere Magnetresonanztomografie des Abdomens mit Kontrastmittel zeigte keinen Anhalt für ein Lokalrezidiv bei Zustand nach Nephrektomie linksseitig und eine rechte Niere ohne Malignomanhalt. Auch abdominopelvin gab es keinen Hinweis metastasensuspekter Läsionen. Zur Festlegung des weiteren Therapieprozederes wurde der Fall im urologischen Tumorboard – in Anwesenheit aller das jeweilige Organsystem betreffenden Fachdisziplinen – vorgestellt, wo nach Abklärung der Raumforderung in der Glandula thyroidea die klare Empfehlung zur Einleitung einer Systemtherapie nach einer Risikoklassifizierung nach Heng ausgesprochen wurde. Die histopathologische Untersuchung der Schilddrüse nach erfolgter Thyreoidektomie ergab ebenfalls eine Metastase des klarzelligen NZK. Aktuell befindet sich die Patientin in ambulanter Systemtherapie und erhält eine Therapie mittels Pembrolizumab und Lenvatinib. DISKUSSION Das Nierenzellkarzinom (NZK) macht mit einer Prävalenz von 99.600 Erkrankten über die vergangenen zehn Jahre insgesamt drei Prozent aller Tumorerkrankungen aus [RKI, 2021]. Bei einem Häufigkeitsgipfel zwischen dem 60. und dem 70. Lebensjahr sind Männer im Verhältnis 2:1 häufiger betroffen als Frauen. Aufgrund eines lange symptomlosen Verlaufs werden Patienten erst spät beim behandelnden Urologen vorstellig. Hierbei sind atypische metachrone Metastasen, insbesondere im Mund- Kiefer- und Gesichtsbereich, eine wirkliche Seltenheit und bedürfen zur Diagnosesicherung und weiteren Behandlung zeitnah einer Überweisung an einen Facharzt. Schwellung am Unterkiefer oder an der Unterlippe – Differenzialdiagnosen Die für die weitere Diagnostik und Therapie entscheidende Differenzialdiagnosen einer Schwellung am Unterkiefer oder der Unterlippe können Zysten, Abszesse, Fremdkörpergranulome, spezifische Infektionen (zum Beispiel Aktinomykose, Tuberkulose, Sarkoidose, Melkersson-RosenthalSyndrom), eine autoimmune Entzündungsreaktion, eine Gefäßmalformation, Erkrankungen einer kleinen/ großen Speicheldrüse (Lithiasis, Infektion, maligne Neoplasie), benigne/ maligne Neoplasien oder die Metastase einer malignen Grunderkrankung sein. Zunächst lag im oben beschriebenen Patientenfall mit einer Raumforderung an der Unterlippe linksseitig und dem aufgebotenen klinischen Bild sowie dem anamnestisch angegebenen Trauma (Abbildung 1) die Verdachtsdiagnose eines infizierten Hämatoms mit Abszessbildung nahe. Bei der Anamneseerhebung mit dem langwierigen Verlauf und dem angegebenen Trauma in der Vorgeschichte sollte differenzialdiagnostisch auch ein Fremdkörpergranulom oder eine spezifische Infektion in Betracht gezogen werden. Nach der weiteren sonografischen Diagnostik konnten diese in unserem Fall weder ausgeschlossen noch bewiesen werden. Der Vorteil der Sonografie lag hier in der schnellen Ausschlussmöglichkeit einer vaskularisierten Gefäßneubildung, einer Zyste oder eines Abszesses. Da sich bei fehlender dorAbb. 2: Sonografie der linken Unterlippe: Erkennbar ist eine scharf begrenzte, ovaläre, homogene, echoreiche Befunddarstellung der Raumforderung. Quelle: MKG-Chirurgie, Universitätsmedizin Göttingen DR. MED. GEORG HOENE Klinik für Mund-, Kiefer-und Gesichtschirurgie der Universitätsmedizin Göttingen Robert-Koch-Str. 40, 37099 Göttingen Foto: Universitätsmedizin Göttingen ZAHNMEDIZIN | 31

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