zm112, Nr. 15-16, 16.8.2022, (1486) URTEILE URTEIL DES LANDGERICHTS FRANKENTHAL OP-AUFKLÄRUNGSGESPRÄCH ZU SPÄT: SCHMERZENSGELDANSPRUCH Nach einer Augenoperation erlitt eine Patientin eine erhebliche Verschlechterung der Sehfähigkeit. Sie klagte daraufhin wegen eines Behandlungsfehlers und bemängelte zudem, sie sei nicht ausreichend früh und umfassend genug über Risiken aufgeklärt worden. In diesem Punkt hatte die Klage Erfolg. Findet ein Aufklärungsgespräch erst am Tag der Operation oder sogar erst während der OP-Vorbereitung statt, ist dies wegen des bestehenden Zeitdrucks grundsätzlich zu spät. Als Folge dessen ist die durchgeführte Operation rechtswidrig. Das befand kürzlich das Landgericht Frankenthal (Rheinland-Pfalz) im Fall einer geschädigten Frau aus Baden-Württemberg und sprach der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro zu. Die Patientin litt unter verschiedenen Beschwerden im Auge, unter anderem starker Kurzsichtigkeit, erhöhtem Augeninnendruck und Trübung einer Linse. In einer Augenarztpraxis wurde ihr deshalb in dem betroffenen Auge eine Linse mit mehreren Sehstärken eingesetzt. Kurze Zeit nach der OP kam es jedoch zu einer wesentlichen Verschlechterung der Sehfähigkeit. Diese betrug nur noch 25 Prozent. Die Aufklärung fand eine halbe Stunde vor der OP statt Aus Sicht der Patientin ist dem operierenden Arzt ein Behandlungsfehler unterlaufen. Außerdem habe er sie nicht ausreichend über die Risiken der Operation aufgeklärt. Deshalb habe sie sich nicht für eine andere, weniger riskante Behandlung entschieden. Sie verklagte den behandelnden Arzt auf ein angemessenes Schmerzensgeld und bekam recht. Zwar konnte die durch einen Sachverständigen beratene Kammer des Gerichts nicht feststellen, dass die Operation fehlerhaft abgelaufen war. Allerdings sei der Eingriff bereits wegen fehlender wirksamer Einwilligung rechtswidrig gewesen. Der Arzt habe nicht beweisen können, dass die Patientin vor der OP rechtzeitig und ausreichend aufgeklärt wurde. Laut dem angeklagten Arzt hat das Aufklärungsgespräch am OP-Tag, etwa eine halbe Stunde vor dem Eingriff, im Rahmen einer vorbereitenden Untersuchung stattgefunden. Das sei nicht ausreichend, um einem Patienten eine freie Entscheidung für oder gegen eine Operation ohne Zeitdruck zu ermöglichen, so die Begründung der Kammer. Zudem habe die ärztliche Aufklärung auch inhaltliche Mängel aufgewiesen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Es ist Berufung beim Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken eingelegt worden. LL LG Frankenthal Az.: 4 O 147/21 Urteil vom 30. Mai 2022 Foto: kazoka303030 – adobe-stock.com Die Aufklärung zum Eingriff muss verständlich, ausführlich und auch so frühzeitig erfolgen, dass dem Patienten für die Entscheidung genügend Bedenkzeit bleibt. 36 | PRAXIS
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