Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15-16

zm112, Nr. 15-16, 16.8.2022, (1500) Verletzungen der Nerven sind in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde vergleichsweise häufig anzutreffen. So gehen Traumata im mund-, kiefer- und gesichtschirurgischen Bereich zu etwa fünf Prozent mit Nervenverletzungen einher. Bedingt durch die häufig in räumlich engem Abstand zu Nerven stattfindenden zahnmedizinischen Behandlungen kommen auch iatrogene Nervenschädigungen im Gesichtsbereich häufiger vor als in anderen ärztlichen Disziplinen. N. lingualis Der N. lingualis ist der am häufigsten geschädigte Ast des N. trigeminus [Hillerup, 2007]. Die Extraktion der unteren dritten Molaren stellt dabei die häufigste Ursache für N.-lingualisSchädigungen dar [Hölzle und Wolff, 2001], gefolgt von Knochenentnahmen im Bereich der Retromolarregion, endodontischen Behandlungen und Weichteileingriffen im Bereich der Glandula sublingualis und des Mundbodens [Eufinger et al., 2021]. Schädigungen durch die intraneurale Applikation von Lokalanästhetika sind selten und beschränken sich häufig auf temporäre Beschwerden mit Spontanheilungstendenz [Pogrel und Thamby, 2000; Hillerup und Jensen, 2006]. N. alveolaris inferior Weisheitszahnextraktionen (Abbildungen 1 bis 3) und Implantatinsertionen (Abbildung 4) sind die häufigsten Ursachen einer Schädigung des N. alveolaris inferior [Dalle Carbonare et al., 2017; Eufinger et al., 2021]. Circa 90 Prozent davon verlaufen temporär über einen Zeitraum von durchschnittlich acht Wochen. Persistierende Beschwerden sind selten, können aber insbesondere bei komplizierten Weisheitszahnextraktionen auftreten (Abbildungen 1 bis 3) [Wang und Li, 2022]. Neben der Art und dem Ausmaß des Eingriffs und der Erfahrung des Chirurgen hat sich insbesondere die präoperative Planung des Eingriffs als wichtiger Faktor zur Beeinflussung des Verletzungsrisikos gezeigt. Zur Verringerung des Verletzungsrisikos wird daher in komplexen Fällen präoperativ ein digitales Volumentomogramm empfohlen (Abbildung 5) [Haug et al., 2009; Clé-Ovejero et al., 2017]. N. facialis Der N. facialis ist mit circa 62 Prozent der Fälle am häufigsten von traumatischen Verletzungen betroffen [Wusiman et al., 2020]. Chirurgische Eingriffe, insbesondere im Bereich des Kiefergelenks und der Glandula parotidea, können mit einer Schädigung des N. facialis vergesellschaftet sein. Der häufigste Schädigungsort aufgrund von operativen Eingriffen ist in unmittelbarer Umgebung des N.-facialis-Stamms, der eine enge Lagebeziehung zur Ohrspeicheldrüse und zum Kiefergelenk hat [Dew und Shelton, 1996; Hohman et al., 2014]. ANATOMIE UND EINTEILUNG VON NERVENVERLETZUNGEN Periphere Neurone bestehen aus einem Zellkörper, Dendriten und einem Axon. Der grundlegende Zellstoffwechsel und die Produktion von Neurotransmittern finden im Nervenzellkörper statt. Die Axone dienen der Weiterleitung von Aktionspotenzialen zu nachgeschalteten Nerven oder Zielorganen. Schnell leitende Axone wie Motoneurone werden von Schwann-Zellen mit einer Myelinscheide ausgekleidet, die zu 70 ProFORTBILDUNG REGENERATIVE THERAPIEN Die Regeneration von verletzten Nerven Leonard Simon Brandenburg, Marc Christian Metzger, Wiebke Semper-Hogg, Julia Vera Weingart, Rainer Schmelzeisen Die Verletzung peripherer Nerven kann infolge eines Unfalls oder eines operativen Eingriffs auftreten und schwerwiegende Beeinträchtigungen nach sich ziehen. Eine frühzeitige adäquate Versorgung ist daher maßgeblich für den Therapieerfolg. Der aktuelle Stand zu den Möglichkeiten der Nervenregeneration. DR. MED. CAND. MED. DENT. LEONARD BRANDENBURG Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – Plastische Operationen, Universitätsklinikum Freiburg, Hugstetter Str. 55, 79106 Freiburg leonard.brandenburg@uniklinikfreiburg.de 10/2012–09/2014: Studium der Medizin in München 10/2014–06/2019: Studium der Medizin in Freiburg seit 09/2019: Assistenzarzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Universitätsklinikums Freiburg, Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Dr. Rainer Schmelzeisen seit 10/2019: Studium der Zahnmedizin in Freiburg Foto: Universitätsklinik Freiburg 50 | ZAHNMEDIZIN

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