Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15-16

zm112, Nr. 15-16, 16.8.2022, (1503) nen sie klinisch mit eindrücklichen Taubheits- oder Lähmungsgefühlen imponieren. Die Therapie der Wahl besteht in einer engmaschigen klinischen Reevaluation durch einen Spezialisten. Bei Ausbleiben einer symptomatischen Besserung kann im Verlauf eine chirurgische Intervention nötig sein, um eine gegebenenfalls vorhandene Schädigungsursache (zum Beispiel fehlerhaft inserierte Implantate oder überstopftes Wurzelfüllmaterial) zu beseitigen [Griffin et al., 2013; Grinsell und Keating, 2014; Tezcan, 2017]. CHIRURGISCHE THERAPIE BEI AUSBLEIBEN EINER SPONTANHEILUNG UND BEI NEUROTMESIS Nervenverletzungen, die trotz eines vermutlich geringen Schädigungsmusters nach drei Monaten keine Heilungstendenz zeigen, sowie eine gesicherte Neurotmesis sollten in einer Fachklinik oder von einem Spezialisten untersucht oder chirurgisch exploriert werden, um die neuronalen Hüllstrukturen wiederherzustellen und eine gerichtete Regeneration zu ermöglichen. Unterschiedliche mikrochirurgische Ansätze werden abhängig vom vorliegenden Schädigungsmuster angewendet [Griffin et al., 2013; Grinsell und Keating, 2014; Tezcan, 2017]. Wird eine gesicherte intraoperative Neurotmesis bemerkt, ist eine zeitnahe Revision prognostisch am günstigsten. Direkte Koaptation Bei glatter Durchtrennung eines Nervs empfiehlt sich die direkte Koaptation. Falls keine glattwandige Beschädigung der Nervenenden besteht, sollte die substanzschonende Entfernung der irregulär verletzten Nervenanteile erfolgen, um eine anschließende Koaptation der Nervenendigungen zu ermöglichen. Die Koaptation sollte dabei stets spannungsfrei erfolgen, da sonst keine Regeneration des Nervs durch axonale Aussprossung erfolgen kann. Neuronale Defizite um bis zu 5 mm können nach erfolgter Neurolyse spannungsfrei koaptiert werden (Abbildung 2). Die Verbindung des proximalen und des distalen Nervenstumpfs kann mit Naht oder mit Fibrinkleber erfolgen. Die primäre Nervennaht erfolgt mit feinem Nahtmaterial (Fadenstärke 9 bis 0 und dünner) und unter Vergrößerung. Prinzipiell ist die epineurale Nervennaht von der perineuralen Nervennaht zu unterscheiden [Cabaud et al., 1976]. Die epineurale Nervennaht beschreibt die Koaptation des Nervens an seiner äußersten, makroskopisch sichtbaren, bindegewebigen Hülle. Die perineurale Nervennaht strebt die Verbindung einzelner Faszikel an, die ohne Zuhilfenahme eines Operationsmikroskops nicht durchführbar ist. Diese Technik bietet den Vorteil, dass insbesondere bei Nerven mit mehreren Faserqualitäten eine Fehlinnervation nach chirurgischer Rekonstruktion vermieden werden kann. Das gustolakrimale Phänomen nach Defektheilung des N. facialis geht beispielsweise auf eine derartig gerichtete Fehlinnervation zurück. Die Verwendung von Fibrinkleber begegnet dem Risiko der Neurombildung (Abbildung 1) wirksam, da diese nahtfrei erfolgen kann. Ein weiterer Vorteil liegt in der einfachen und schnellen Verwendung. Der mechanische Halt von geklebten Nervenanastomosen ist jedoch nicht so sicher wie die Koaptation mittels Naht [Sameem et al., 2011). Die Verwendung von Fibrinklebern eignet sich zudem nicht zur perineuralen Nervenkoaptation [Grinsell und Keating, 2014; Tezcan, 2017; Panagopoulos et al., 2019]. Autologe Nerventransplantation Nervenverletzungen mit langstreckigen Defiziten (> 5 mm) benötigen ein Interponat, um eine spannungsfreie Adaptation der Nervenstümpfe zu ermöglichen. Die Verwendung autologer Nerventransplantate hat aufgrund der geringen Abstoßungsreaktionen die besten Einheilungstendenzen, erfordert jedoch die Entnahme eines Nervens an anderer Stelle. Häufig verwendete Transplantate sind der N. suralis und der N. cutaneus antebrachii medialis, die gut zugänglich für eine Entnahme Abb. 4: oben: Chirurgische Dekompression bei neu aufgetretener Hypästhesie des N. alveolaris inferior nach Einbringung eines dentalen Implantats mit Kompression des Kanaldaches, unten: Die zeitnahe Explantation des Implantats führte aufgrund der raschen Dekompression des Nervs zu einer Rückbildung der Symptomatik. Zur Darstellung des Nervkanals erfolgte die Rekonstruktion eines Schnittbilds entlang des Canalis mandibulae im Datensatz eines digitalen Volumentomogramms. Quelle: Universitätsklinikum Freiburg CME AUF ZM-ONLINE Regeneration von verletzten Nerven Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie zwei CME-Punkte der BZÄK/DGZMK. ZAHNMEDIZIN | 53

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