Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15-16

zm112, Nr. 15-16, 16.8.2022, (1504) sind und mit einer nur geringen Entnahmekomorbidität einhergehen. Der Nachteil bei der Verwendung eines Nerveninterponats besteht prinzipiell in der Notwendigkeit von zwei mikrochirurgischen Nervenanastomosen. Ein chirurgisch eingebrachtes autologes Nerventransplantat unterliegt, ebenso wie ein distaler Nervenstumpf nach direkter Koaptation, der WallerDegeneration. Nach erfolgreicher Einlage eines transplantierten Nervs verbleiben lediglich die Hüllstrukturen des Interponats, während die Axone und die Myelinscheiden im Rahmen eines zeitintensiven Regenerationsprozesses neu gebildet werden. Dieser Prozess wird zusätzlich durch die Ausschüttung neurotropher Faktoren – durch die an der Nervenregeneration beteiligten SchwannZellen – gefördert [Millesi, 2007; Tezcan, 2017]. Allogene Nerventransplantation Die begrenzte Verfügbarkeit autologer Nerventransplantate sowie die entstehende Entnahmekomorbidität erzeugen eine Nachfrage nach allogenen Transplantaten, die zum Beispiel bei Organspendern entnommen und für eine spätere Verwendung aufbereitet werden können. Da zur erfolgreichen Nervenregeneration lediglich ein dreidimensionales kollagenfaseriges Gerüst notwendig ist, das die axonale Aussprossung leiten kann, wurden Ansätze zur chemischen Dezellularisierung von Spendernerven entwickelt. Diese allogenen Spendernerven können ohne Entnahme eines Nervs am Patienten eingebracht werden und werden vorrangig für Nervenverletzungen mit geringem Durchmesser und geringer Länge verwendet (Avance ® Nerve Graft, Fa. Axogen, Alachua, Florida, USA) [Evans et al., 1994; Tezcan, 2017]. Andere biologische und synthetische Interponate Aus der Überlegung heraus, dass die Nervenregeneration auch entlang einer dreidimensionalen Leitstruktur geschehen könnte, die nicht neuronalen Ursprungs ist, wurden unterschiedliche Ansätze zur Verwendung verschiedener autologer Gewebe sowie biologischer und synthetischer Materialien als Conduits in der Nervenregeneration verfolgt. Die Verwendung von autologen Arterien und Venen wurde ebenso wie KollagenConduits und allogenes Gewebe aus Nabelschnüren zur Nervenkonduktion und -protektion beschrieben. Polyesterbasierende synthetische Materialien wie Polyhydroxyessigsäure (PGA) und Polylactid (PLA) sind als resorbierbare Materialien zur Nervenrekonstruktion ebenfalls verfügbar. Der Einsatz von Nerv-Conduits im klinischen Alltag erfolgt vorwiegend protektiv und ergänzend zu den Techniken mit körpereigenen neuronalen Geweben [Pogrel und Maghen, 2001; Colen et al., 2009; Tezcan, 2017]. Nerventransfer Als alternative Rekonstruktionsmöglichkeit kann die Verpflanzung eines ortsständigen unversehrten Nervens an den Stumpf eines verletzten Nervs erfolgen. Insbesondere bei proximalen Nervenverletzungen in der Nähe des Nervenzellkörpers kann dies von Vorteil sein, da in diesen Fällen die axonale Regeneration entlang eines langstreckig degenerierten Nervensegments zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Bei Nervendefekten von mehr als 7,2 cm Länge ist die Durchführung eines Nerventransfers vielversprechender als die Verwendung eines Interponats. Um eine rasche Funktionswiederherstellung zu erreichen, ist es von Vorteil, wenn Spender- und Empfängernerven synergistische Funktionen haben, so dass durch gezieltes Training eine rasche neuronale Re-Edukation stattfinden kann. Die End-zu-End-Anastomose beschreibt die erfolgreichste Art des Nerventransfers und kann zur Regeneration motorischer und sensorischer Nerven gewählt werden. EndQuelle: Universitätsklinikum Freiburg Abb. 5: Dreidimensionale Segmentation eines retinierten und verlagerten Weisheitszahns (weiß) und des angrenzenden N. alveolaris inferior (gelb) zur präoperativen Beurteilung des Nervverlaufs Quelle: Universitätsklinikum Freiburg, Wiebke Semper-Hogg ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 54 | ZAHNMEDIZIN

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