Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15-16

zm112, Nr. 15-16, 16.8.2022, (1522) Die Zahngesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland hat sich in den vergangenen 30 Jahren enorm positiv entwickelt: So weisen rund 70 Prozent der 12-Jährigen heutzutage ein naturgesundes Gebiss auf, bis zum Jahr 2030 wird ein Wert von 90 Prozent angestrebt [Ziller et al., 2021]. Allerdings stehen der demografische Wandel und die soziale Ungleichheit in scharfem Kontrast zu einer wunscherfüllenden Zahnmedizin [Groß, 2014], die in den Praxen eine immer stärkere Rolle spielt. Hier kann eine Kluft zwischen „Ethik und Monetik“ [Groß, 2011] entstehen, in der Aspekte von (zahn-)ärztlicher Indikation, Patientenwillen, sozialer Gerechtigkeit, Ökonomie und Professionsethik in Konflikt miteinander geraten. Die fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) belegt, dass der Anteil der kariesfreien Gebisse bei Kindern zwischen 1989/92) und 2014 von 13,3 auf 81,3 Prozent gestiegen ist (Abb. 2). Die durchschnittliche Anzahl der kariösen, fehlenden oder mit Füllungen ausgestatteten Zähne in dieser Altersgruppe ging von 4,9 auf 0,5 deutlich zurück (Abb. 3) [IDZ, 2016]. Auch im Vergleich mit anderen Staaten sind die Zahlen verhältnismäßig gut. So zeigt eine Studie aus dem gleichen Zeitraum, dass in England, Wales und Nordirland zwischen 46 und 63 Prozent der 15-Jährigen Karieserfahrungen hatten. [Vernazza et al., 2013:315]. Das Ergebnis ist insofern erstaunlich, als sich die DentalPublic-Health-Maßnahmen im Vereinigten Königreich und in Deutschland aktuell nur unwesentlich unterscheiden [GOV.UK, 2021]. IST KARIES HIERZULANDE KEIN THEMA MEHR? Als Ursache für den drastischen Kariesrückgang im deutschen Raum können orale Präventionsmaßnahmen angenommen werden, die sich traditionell auf verhaltens- und verhältnispräventive Maßnahmen stützen. Hierzu gehören neben einer entsprechenden Mundgesundheitsaufklärung die Vereinheitlichung der Fluorid-Empfehlungen vom Säuglings- bis zum Vorschulalter und insbesondere die Verbesserung der gruppenprophylaktischen Betreuung von Klein- und Kindergartenkindern. Damit wurden nach der deutschen Wiedervereinigung einige Maßnahmen der öffentlichen Zahngesundheit und der (Vor-)Schulzahnpflege umgesetzt, die mit dem durchschnittlich besseren Gesundheitszustand ostdeutscher Kinder vor 1989 in Zusammenhang gebracht wurden [IDZ, 2016:8; nl, 2021; Krischel/Nebe, 2022b]. Bei genauem Hinschauen offenbart die DMS V jedoch, dass soziale Determinanten bei der Mundgesundheit weiterhin eine wichtige Rolle spielen: Karieserfahrungen sind bei Kindern und Jugendlichen aus Familien mit niedrigem Sozialstatus mehr als doppelt so häufig wie bei Kindern aus Familien mit hohem Sozialstatus. Der Prozentsatz der Kinder und JugendGESUNDHEIT, ÄSTHETIK UND ÖKONOMIE IN DER ZAHNMEDIZIN Im Konflikt zwischen Patient und Kunde Julia Nebe, Matthis Krischel Oft müssen Zahnärztinnen und Zahnärzte im Praxisalltag entscheiden: Steht eine medizinische oder eine rein ästhetische Behandlung an? Was will der Patient und was tut ihm gut? Dabei können auch für den Behandler Konflikte entstehen – zwischen zahnärztlicher Indikation, sozialer Gerechtigkeit, Ökonomie und Professionsethik. Ein Dilemma, das nicht leicht aufzulösen ist. JULIA NEBE, M.A. Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin Centre for Health and Society, Medizinische Fakultät, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf julia.nebe@hhu.de Foto: pirvat Foto: New Africa – stock.adobe.com

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=