zm112, Nr. 17, 1.9.2022, (1578) 98 Prozent der Praxen keine neuen erwachsenen NHS-Patienten annehmen. \ Am besten ist der Zugang in London, wo fast ein Viertel der Praxen neue erwachsene NHSPatienten aufnimmt. \ In einer von zehn lokalen Gebietskörperschaften gab es keine Praxis, die neue Patienten unter 16 Jahren akzeptiert, obwohl Kinder Anspruch auf eine kostenlose ärztliche und zahnärztliche Behandlung haben. \ Etwa 200 Praxen gaben an, dass sie ein Kind im Rahmen des NHS nur aufnehmen würden, wenn sich ein Elternteil als Privatpatient einschreibt. \ In Schottland ist der Zugang zur NHS-Zahnmedizin für Erwachsene erheblich besser als in den anderen Ländern des Vereinigten Königreichs: 18 Prozent der Praxen nahmen neue Patienten aus dem NHS auf. \ In Wales, England und Nordirland waren die Zugangsraten mit 7, 9 beziehungsweise 10 Prozent weitgehend gleich. \ In Lancashire, Norfolk, Devon und Leeds konnten die Reporter keine einzige Praxis finden, die neue erwachsene Patienten aufnimmt. „Wir stellten nicht nur fest, dass es vielerorts schwierig war, schnell einen Termin für eine Routinezahnbehandlung zu erhalten, sondern dass die meisten Praxen nicht einmal Wartelisten führen“, berichten die Reporter. „Die meisten Praxen, die eine Warteliste führen, teilten uns mit, dass die Wartezeit ein Jahr oder länger beträgt, oder sie waren nicht in der Lage zu sagen, wie lange die Patienten warten müssen.“ 1.700 PERSONEN AUF DER LISTE, FÜNF JAHRE WARTEZEIT Eine Praxis in Norfolk teilte der BBC zum Beispiel mit, sie habe mehr als 1.700 Personen auf ihrer Liste, während eine andere in Cornwall warnte, dass es fünf Jahre dauern würde, bis man als Patient aufgenommen würde. Der NHS England teilte unterdessen mit, er habe vor Kurzem Änderungen am Vertrag für Zahnmedizin vorgenommen und werde „die Praxen dabei unterstützen, den Zugang zu verbessern, einschließlich der Möglichkeit für leistungsstarke Praxen, ihre Aktivität zu erhöhen und mehr Patienten zu behandeln“. Die walisische Regierung gab eiligst bekannt, sie arbeite an einer Reform des Zahnarztsystems, um den Zugang und die Qualität der zahnärztlichen Versorgung zu verbessern. Im Juli kündigte Wales an, dass die meisten Erwachsenen künftig einmal im Jahr statt alle sechs Monate eine zahnärztliche Untersuchung erhalten sollen. Die schottische Regierung verkündete derweil, dass mehr als 95 Prozent der schottischen Bevölkerung bei einem NHS-Zahnarzt registriert seien und dass sich Schottland „in einer relativ starken Position befindet, was die Anzahl der Arbeitskräfte und die Kapazitäten angeht“. DIE REGIERUNGEN GEBEN DER PANDEMIE DIE SCHULD Alle dezentralen Regierungen wiesen darauf hin, dass die Corona-Pandemie die Verfügbarkeit der zahnärztlichen Versorgung des NHS beeinträchtigt habe. Das nordirische Gesundheitsministerium erklärte, es sei „unvermeidlich, dass die Zugangsbedingungen heute nicht mehr so günstig sind wie vor COVID“. „Patienten, die derzeit nicht bei einem Zahnarzt des Gesundheitswesens registriert sind, ZAHNMEDIZIN IM NHS Seit der Gründung des Gesundheitsdienstes 1948 erscheint der Zugang zur NHS-Zahnmedizin problematisch. Bereits 1951 wurde die kostenlose Behandlung eingestellt, weil sie als unfinanzierbar galt. Seitdem gibt es ein subventioniertes System, bei dem ein Teil der Patienten einen Beitrag zu den Kosten leistet. Parallel dazu hat sich ein starker privater Markt entwickelt, den der BBC zufolge schätzungsweise ungefähr jeder siebte Erwachsene in Anspruch nimmt. Es ist somit die Entscheidung des Zahnarztes, in welchem Maß er NHSLeistungen erbringt. Die meisten NHS-Zahnärzte im Vereinigten Königreich sind selbstständig und nicht direkt beim Gesundheitsdienst angestellt. Wenn sie ihren NHS-Vertrag nicht erfüllen, wird das Geld, das sie erhalten haben, zurückgefordert. Die Zahnärzte monieren aber, dass der derzeitige NHS-Vertrag ihre Arbeit nicht fair entlohnt – und darum unattraktiv ist. Sparmaßnahmen drücken ebenfalls auf die Budgets – und dann kam die Pandemie, die einen Rückstau von Patienten mit einer sich weiter verschlechternden Mundgesundheit verursachte. Diese Kombination von Faktoren scheint laut BBC zahlreiche Zahnärzte dazu veranlasst zu haben, die Praxis zu verlassen – denn die Zahl der NHS-Patienten ging im vergangenen Jahr um zehn Prozent zurück. „ICH SITZE IN TRÄNEN AUFGELÖST DA!“ Eine Patientin, mit der die BBC sprach, ist Caroline Young aus Blackpool. Sie ließ sich von einem NHS-Zahnarzt Kronen setzen, doch als die Praxis vor vier Jahren die Zusammenarbeit mit dem NHS beendete, fand sie keinen neuen Behandler. Seitdem geht sie fast jede Woche die Zahnärzte im Telefonbuch durch, um zu fragen, ob sie neue Patienten annehmen. Youngs Kronen fielen nach und nach aus, weshalb sie sich schließlich ein Provisorium aus Plastik gebastelt hat, die Anleitung dazu fand sie in den sozialen Medien. „Ich habe versucht, die Prothese anzupassen, aber das hat nicht geklappt. Ich weine, weil ich so nicht aus dem Haus gehen kann“, sagt sie. „Das ist demoralisierend. Ich sollte nicht das Gefühl haben, dass mich das zurückhält, aber es ist so. Wenn ich mir eine private Zahnbehandlung leisten könnte, wäre ich morgen schon dort.“ 16 | POLITIK
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