Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm112, Nr. 17, 1.9.2022, (1620) DEFEKTKLASSIFIKATION Die präimplantologische Rekonstruktion kann in unterschiedlichen klinischen Defektkonfigurationen erforderlich sein und den Chirurgen mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontieren. In diesem Zusammenhang lässt sich der vorliegende Defekt anhand der Klassifikation von Terheyden et al. beschreiben, die das charakteristische Resorptionsverhalten des Alveolarkamms nach Zahnextraktion berücksichtigt [Terheyden, 2010]. Die Defekttypen sind danach in vier Viertel unterteilt, die den Umfang des bestehenden Knochenverlusts in Beziehung zur Position des künftigen Implantats setzen. Eine initiale Resorption des kresto/vestibulären Alveolarfortsatzes (1/4-Defekt, weniger als 50 Prozent der vorgesehenen Implantatlänge) ist hierbei gefolgt von einer anhaltenden buccalen Resorption (2/4-Defekt, mehr als 50 Prozent der vorgesehenen Implantatlänge), bevor der Alveolarkamm durch Resorption der oralen Anteile partiell (3/4-Defekt) und schließlich total (4/4-Defekt) verloren geht. Das Modell lässt sich auf Einzelzahnlücken, ausgedehnte Lücken, Freiendsituationen und auch einen zahnlosen Kiefer anwenden. Darüber hinaus kann die Klassifikation eines Defekts beziehungsweise das Ausmaß einer Augmentation dahingehend bewertet werden, ob der geplante Eingriff sich innerhalb der „knöchernen Hülle“ („bony envelope“) oder bis außerhalb der knöchernen Kontur erstreckt. Besteht die Indikation zur Augmentation außerhalb des „bony envelope“, wird in der Regel ein zweizeitiges Vorgehen empfohlen. Der Kontinuitätsdefekt, der die Folge eines Traumas oder der Resektion eines Tumors sein kann, nimmt eine Sonderstellung ein und wird häufig zweizeitig, das heißt nach Rekonstruktion mit einem mikrovaskulären Transplantat (mikrovaskuläres Fibula-, Beckenkamm- oder Scapulatransplantat), implantologisch versorgt. AUTOLOGE KNOCHENENTNAHME BEI AUSGEPRÄGTEN AUGMENTATIONEN Aufgrund seiner osteoinduktiven, osteokonduktiven und genetischen Eigenschaften besitzt der autologe Knochen im Vergleich zu Knochenersatzmaterialien ein höheres regeneratives Potenzial, so dass dessen Anwendung bei ausgeprägten Augmentationsvolumina einen hohen Stellenwert besitzt und als biologischer Goldstandard anerkannt ist [Bauer und Muschler, 2000]. Je nach Defektgröße können hierbei intraorale (bis 5 mm) oder extraorale Spenderregionen (mehr als 5 mm) gewählt werden. Beliebte enorale Entnahmeregionen sind der horizontale beziehungsweise der aufsteigende Unterkieferast oder die Mentalregion [Sittitavornwong und Gutta, 2010]. Die Knochenmenge, die im Rahmen einer Implantatbohrung oder bei mit Knochenschabern gewonnenen Knochenspänen anfällt, ist gering und spielt daher in der präimplantologischen Chirurgie eine eher untergeordnete Rolle. Die Entnahme von enoralem autologem Knochen kann unter Lokalanästhesie erfolgen, wohingegen die extraorale Knochenentnahme in der Regel in Intubationsnarkose erfolgt. Im Fall einer Knochenentnahme aus dem Ramus mandibulae kann mittels marginaler Schnittführung mit dorsaler Entlastung in Richtung des aufsteigenden Unterkieferastes der retromolare Knochen dargestellt werden. Die möglichst parallelen Osteotomien auf der lateralen Ramusseite legen die Länge und die Höhe Nach einer Einheilzeit von circa vier Monaten folgte die Freilegung der Implantate und die Eingliederung des festsitzenden Zahnersatzes (Abbildungen 6 und 7). Foto: Tobias Möst Foto: Tobias Möst Abb. 6: Enorale Aufnahme mehrere Wochen nach Freilegung vor Insertion des definitiven Zahnersatzes Abb. 7: Enorale Aufnahme nach Eingliederung des finalen Zahnersatzes 58 | ZAHNMEDIZIN

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