Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm112, Nr. 17, 1.9.2022, (1624) nach Präparation der Kieferhöhlenschleimhaut folgt eine Osteotomie in der Le-Fort-I-Ebene, bevor mittels Meißel die mediale Kieferhöhlenwand und das Nasenseptum getrennt werden. Nach Mobilisation des Oberkiefers mittels Hohlmeißel vom Proc. pterygoideus bds. folgen die vorsichtige kaudale Mobilisation des Oberkiefers entsprechend der Operationsplanung und die Fixation mittels Plattenosteosynthese. Der Osteotomiespalt kann nun mit kortikospongiösen Beckenkammtransplantaten in der Eck- und in der Seitenzahnregion zur Stabilisierung der vertikalen Ebene augmentiert werden. Der Bereich zwischen den Knochenblöcken kann mit partikulärem Knochenersatzmaterial aufgefüllt werden. DISTRAKTIONSOSTEOGENESE Als mögliche weitere Technik zum Ausgleich eines vertikalen Knochendefizits kann die – technisch anspruchsvolle – Technik der Distraktionsosteogenese angewendet werden. Das zugrunde liegende biologische Prinzip besteht dabei in der Induktion von Knochenhartsubstanz in der Folge einer stetigen und langsamen Dehnung eines sich organisierenden Kallus, der sich durch eine gezielte Osteotomie zwischen zwei Knochenfragmenten entwickelt. Die Distraktionsosteogenese umfasst drei Phasen: die erste Phase nach Distraktor-Applikation und Osteotomie zeichnet sich durch eine Regeneration der Weichgewebe und der Organisation eines Kallus zwischen den Fragmenten aus und umfasst eine Dauer von fünf bis sieben Tagen. In der zweiten Phase folgt die stetige Distraktion von 0,5 – 1 mm/ Tag, bis das vertikale Knochendefizit ausgeglichen ist, woran sich die dritte, mehrwöchige Stabilisierungsphase anschließt. Durch die Distraktionsosteogenese kann Knochen guter Qualität im Vergleich zu anderen vertikalen Augmentationstechniken generiert werden, was sich in den langfristigen Daten für Implantatversorgungen beobachten lässt. Die gerichtete Knochenneubildung ist allerdings durch eine Reihe von Komplikationen gefährdet [Zhao et al., 2018]. Der wirkende Kraftvektor kann bei Disktraktionsrichtungen entgegen oder tangential von Muskel- beziehungsweise bindegewebigen Zügen abweichen, was zu einer erschwerten gezielten Aktivierung des Distraktors führen kann. Weitere Komplikationen sind die Immobilität des zu bewegenden Segments (Transportsegment), die Störung der Okklusion durch die DistraktorApparatur, die vorzeitige knöcherne Konsolidierung vor Erreichen der Zieldistanz, der Verlust des Distraktors, eine Infektion, die Perforation der Mukosa, die Fraktur des Unterkiefers oder aber eine Resorption des Transportsegments. Aufgrund der relativ hohen Komplikationsrate in Kombination mit einer hohen Techniksensibilität und der erforderlichen Compliance des Patienten ist der Stellenwert der Distraktionsosteogenese im klinischen Alltag gering. EINHEILDAUER PRÄIMPLANTOLOGISCHER KNOCHENAUGMENTATIONEN Die gewählte Wartezeit nach Durchführung des augmentativen Eingriffs sollte ausreichen, um die knöcherne Integration und die Bildung von vitalem Knochen im Augmentationsareal zu erreichen. Die Wahl des optimalen Zeitpunkts ist schwierig. Auf der einen Seite führt eine lange Einheilzeit zu mehr vitalem Knochen im Augmentationsgebiet, allerdings geht dies mit einer erhöhten Resorption und einer möglichen Exposition des Osteosynthesematerials einher. Insbesondere autologe Auflagerungsosteoplastiken zeigen bei einer Wartezeit von vier bis sechs Monaten eine erhebliche Volumenresorption. Hingegen kann eine Wartezeit von unter vier Monaten ebenfalls mit Problemen vergesellschaftet sein, die zu technischen Schwierigkeiten bei der Implantation führen – beispielsweise wenn sich das Augmentat vom Defektareal löst. FAZIT Je nach Defektkonfiguration und der benötigten Knochenmenge stehen unterschiedliche Techniken und Materialien für die Hartgewebeaugmentation zur Auswahl. Partikuläres Material in Kombination mit einer resorbierbaren Membran zeigt sich bei einem geringen Knochendefizit als ausreichend. Bei einem größeren Knochendefizit kann die Anwendung nicht resorbierbarer Materialien in Kombination mit autolog gewonnenem Knochen nötig sein. Ab einem Knochendefizit von mehr als 5 mm ist die Entnahme von extraoralem Knochen nötig. Die letztlich ausgewählte Technik ist stark von der Expertise des Operateurs abhängig und sollte neben lokalen und systemischen Einflussfaktoren die Compliance des Patienten einbeziehen. \ PD DR. MED. DR. MED. DENT. RAINER LUTZ Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgische Klinik des Universitätsklinikums Erlangen Glückstr. 11, 91054 Erlangen Foto: Universitätsklinikum Erlangen 62 | ZAHNMEDIZIN

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