Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm112, Nr. 17, 1.9.2022, (1658) Remake, das nun die Behandlung – oder besser den Behandlungsversuch – aufnahm. Es gehört fast zur medizinischen Allgemeinbildung, dass kein genuin orales Problem Thomas Buddenbrook in die Praxis geführt hatte, sondern kardial bedingte Schmerzen, die sich in den rechten Unterkieferbereich projizierten. Herrn Brecht wäre deshalb eventuell eine Fehldiagnose und eine nicht lege artis durchgeführte Extraktion mit Frakturierung eines Molaren und drei abgebrochenen Wurzeln anzulasten, kaum aber der kurz darauf folgende SekundenHerztod des Senators. Bei dieser filmischen Darstellung des seltenen „Buddenbrook-Syndroms“ [Moog, 2003] fallen leichte Abweichungen zur literarischen Vorlage und zur Wirklichkeit auf: Im Roman verblieben vier Wurzelreste in situ, realiter strahlt der Schmerz viel öfter in die linke Regio mandibularis aus. HEINZ RÜHMANN HEILT AUCH DIE SEELE In der Komödie „Meine Tochter und ich“ (1963) (Abb. 3) sanierte Heinz Rühmann alias Dr. med. dent. Robert Stegemann in einer Sequenz seiner ängstlichen Patientin nicht nur das Gebiss, sondern heilte auch ihre durch die Zeitläufte verwundete Seele: „Tapferkeit ist die Überwindung unserer Angst“, „Jetzt haben wir es schon geschafft“, „sieht schon ganz schön aus“, „nur noch kleine Korrekturen nötig“. Sicher ist es eine gewagte, dennoch plausible Interpretation, die sanierten Zahnreihen mit der wieder aufgebauten Bundesrepublik gleichzusetzen und die Aufbau-Generation mit dem Zahnarzt, der im letzten Jahr der Adenauer-Ära Bilanz zieht nach ebenso entbehrungsreichen wie dann wirtschaftlich erfolgreichen Nachkriegsjahren. Anders formuliert: Die gelingende restaurative Therapie wird zum Symbol für die gelungene politischgesellschaftliche Restauration in der Bundesrepublik und den damit verbundenen Werten. Im Rückblick auf die Jahre 1948 bis 1963 lässt sich resümieren: Die Zahnarztrolle blieb in beiden NachkriegsDeutschlands mäßig populär, als Genre standen Komödien im Mittelpunkt. Im Westen entstand die Figur des gereiften, jovial-kompetenten Behandlers; auch diese durchaus ein Spiegelbild der Zeit. Führend war nun die Zahnerhaltung, Extraktionen wurden selten gezeigt und galten fast schon als Anachronismus. \ Teil 2 behandelt die Jahre 1964 bis in die Gegenwart. Hundstage (1944), Standbild. Deutschen Forst-Filmproduktion GmbH und Wien-Film. Regie Géza von Cziffra, Rolf Wanka und Wolf Albach-Retty als Zahnärzte. Quelle: Wien-Film / Mit freundlicher Genehmigung von Herbert Klemens, Filmbild Fundus. UNIV.-PROF. DR. MED. DR. DENT. JOACHIM ZÖLLER Geschäftsführender Direktor des Zentrums und Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie, Poliklinik für Orale Chirurgie und Implantologie, Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie Kerpener Str. 62, 50937 Köln 96 | GESELLSCHAFT

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