Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm112, Nr. 18, 16.9.2022, (1702) FORSCHUNGS- UND PUBLIKATIONSETHIK IN DER ZAHNMEDIZIN „Publish or perish“ – zwischen Promotion und Plagiat Matthis Krischel, Julia Nebe Jeder zweite Zahnarzt in Deutschland schließt sein Studium mit einer Promotion ab und kommt mit Fragen der Forschung und Forschungsethik in Berührung. Was sind die korrekten ethischen Richtlinien für Forschung am Menschen? Wie zeichnet sich gute wissenschaftliche Praxis aus? Wo beginnen Fehlverhalten und Plagiarismus? Und welche Wertigkeit haben eigentlich deutsche Publikationen? Eine Standortbestimmung. Vor einigen Jahren gingen Plagiatsvorwürfe gegen prominente Politiker durch die Presse: Dem Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wurde 2011, der Bundesbildungsministerin Annette Schavan 2013 vorgeworfen, in ihren Doktorarbeiten fremde Textpassagen ohne Nennung der Quelle verwendet zu haben. Nach eingehenden Untersuchungen entzogen die Universität Bayreuth beziehungsweise die HeinrichHeine-Universität Düsseldorf den Spitzenpolitikern die Doktorgrade. Beide traten in der Folge zurück. Den Affären folgte eine breite Diskussion über den Status der guten wissenschaftlichen Praxis (GWP) in Deutschland, an vielen Universitäten wurden strukturierte Promotionsprogramme aufgelegt, die obligat auch Kurse in GWP einschließen. Im vergangenen Jahrzehnt scheint das Interesse der Öffentlichkeit etwas abgeflaut zu sein: Zwar trat Franziska Giffey 2021 nach dem Entzug ihres Doktortitels durch die FU Berlin (wiederum lautete der Vorwurf Plagiat) vom Amt der Bundesbildungsministerin zurück, noch im gleichen Jahr trat sie jedoch als Spitzenkandidatin im Berliner Landtagswahlkampf an und wurde zur Regierenden Bürgermeisterin gewählt. Trotz einer scheinbar des Themas müden Öffentlichkeit bleiben Fragen der Forschungsethik für die Wissenschaft, auch für die Zahnmedizin, von großer Bedeutung. Im Jahr 2017 promovierte mit 47,7 Prozent etwa jeder zweite Zahnarzt [Hachmeister, 2019, 8]. Zu den Aufgaben der universitären Zahnmedizin gehört die Forschung am und mit Menschen. Und sowohl Doktorarbeiten als auch Forschungsergebnisse werden veröffentlicht. Grund genug, einen Blick auf Fragen der Forschungs- und Publikationsethik zu werfen. EIN MEDIZINSKANDAL ENTFACHT DIE DEBATTE Eine breite Debatte über die Regeln, die bei der Forschung am Menschen eingehalten werden sollen, wurde Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland durch einen Medizinskandal ausgelöst: Der Breslauer Dermatologe Albert Neisser (1855–1916) hatte beim Versuch, eine Impfung gegen die Syphilis zu entwickeln, neun jungen, auch minderjährigen Frauen Serum injiziert, das er aus dem Blut syphilitischer Personen gewonnen hatte. Einige VersuchsFoto:mnirat – adobe.stock.com 12 | GESELLSCHAFT

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