Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm112, Nr. 18, 16.9.2022, (1706) fokussieren dabei die folgende vier Prinzipien [Merton 1973]: \ „1. Communism (Gemeinschaftsorientierung oder Kommunitarismus): Die wissenschaftlichen Erträge sind das Ergebnis kooperativer Bemühungen. Ergo sollte jedes Mitglied der Scientific Community Zugang zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und das Recht auf Teilhabe erhalten. \ 2. Universalism (Universalismus): Die Bewertung wissenschaftlicher Forschung und der damit verbundenen Geltungsansprüche und Zuschreibungen muss unabhängig von der betreffenden Person, ihrem Sozialprofil und ihrem gesellschaftlichen Status erfolgen – nach objektiven Gesichtspunkten und auf der Basis sachlicher Argumente. \ 3. Disinterestedness (Uneigennützigkeit): Triebfeder der Wissenschaft sollten wissenschaftliche Neugier, der Wunsch nach Erkenntnisgewinn und das Interesse am Wohlergehen der Menschheit sein – nicht etwa Eigennutz, persönliche Präferenzen und subjektive Meinungen. \ 4. Organized scepticism (Systematischer Zweifel): Wissenschaftliche Überzeugungen sollten jederzeit überprüft und ggf. revidiert werden können, da sie falsch oder fehlerhaft sein können. Erst nach sorgfältiger Prüfung und Kenntnis aller Fakten kann ein abschließendes Urteil gefällt werden“ [Groß, 2018, 23]. Doch nicht nur die – vielleicht hehren – Ziele der Merton’schen Normen, auch die „bodenständigen“ Regeln der GWP, wie sie in Deutschland etwa von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) formuliert und durchgesetzt werden, sind im Alltag für manche Forscher eine zu hohe Hürde. Aber was verbirgt sich hinter den Begriffen von wissenschaftlichem Fehlverhalten (scientific misconduct), Fraud (Fehler) und Plagiat? Und worauf sollte der Doktorand oder die Doktorandin bei der Erstellung und Publikation der eigenen Promotion dringend achten? FEHLVERHALTEN, FEHLER ODER PLAGIAT? Erstmals 1998 veröffentlichte die DFG ihre Empfehlungen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis. In ihrer aktuellen Auflage definiert die DFG GWP als (Selbst-) Verpflichtung „lege artis zu arbeiten, strikte Ehrlichkeit im Hinblick auf die eigenen und die Beiträge Dritter zu wahren, alle Ergebnisse konsequent selbst anzuzweifeln sowie einen kritischen Diskurs in der wissenschaftlichen Gemeinschaft zuzulassen und zu fördern“ [DFG, 2019, 9]. Die genannten Prinzipien spiegeln dabei die „grundlegenden Werte und Normen wissenschaftlichen Arbeitens“ [DFG, 2019, 9] wider. Die Verletzung stellt einen Verstoß gegen die geltenden Wissenschaftsnormen und damit gegen den Grundsatz der wissenschaftlichen Redlichkeit dar [Groß, 2014b, 46]. Lege artis zu arbeiten bedeutet also unter anderem, „wissenschaftliches Fehlverhalten“ zu vermeiden. Davon ist zu sprechen, wenn „vorsätzlich oder grob fahrlässig“ eine Normverletzung vorliegt [DFG, 2019, 2]. Hierzu gehören neben Falschangaben, wie etwa das Erfinden, (Ver-) Fälschen und/oder Unterdrücken von Daten oder Forschungsergebnissen vor allem ein „unberechtigtes Zu-eigen-machen fremder wissenschaftlicher Leistungen“ [DFG, 2019, 3], also das Plagiat. Ebenfalls als Fehlverhalten zählt das Annehmen von „Ehrenautorschaften“; das heißt, als (Ko-)AutorIn einer Publikation zu fungieren, obwohl „kein genuiner, nachvollziehbarer Beitrag zum wissenschaftlichen Inhalt der Publikation geleistet wurde“ [DFG, 2019, 3]. Rat in Zweifels- oder Konfliktfällen zum Thema gute wissenschaftliche Praxis beziehungsweise wissenschaftliche Integrität geben Betroffenen die sogenannten „Ombudspersonen“. Diese an Forschungs-und Hochschuleinrichtungen eingesetzten Vertrauenspersonen (mit wissenschaftlichem Hintergrund, zum Beispiel entpflichtete Professoren) beraten in Deutschland Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei Fragen zum oben genannten Themenfeld [DFG, 2019, 14, 17]. So implementierte die DFG bereits Ende der 1990er-Jahre ein solches Beratungsgremium den „Ombudsman für die Wissenschaft“ [Ombudsman für die Wissenschaft, 2022]. Als weitere vertrauliche Beratungsinstitution fungieren auch die an vielen Hochschulstandorten etablierten „Kommissionen zur Aufklärung wissenschaftlichen Fehlverhaltens“. Sie widmen sich ebenfalls der Prüfung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens und Fragen guter wissenschaftlicher Praxis [DFG, 2018; Groß, 2014b, 50; HHU, 2020, 25f.]. WIE HÄLTST DU ES MIT DER TRANSPARENZ? Dabei sind fehlendes Problembewusstsein sowie der Druck, der zu wissenschaftlichem Fehlverhalten führen kann, im deutschen Wissenschaftssystem oftmals hausgemacht. Erst mit der Einführung des Curriculums Ethik und Geschichte der Zahnmedizin darf erwartet werden, dass Forschungs- und Publikationsethik unterrichtet werden. Während an vielen Fakultäten strukturierte Promotionsprogramme eine Ausbildung in GWP vorsehen, kann das Niveau von Standort zu Standort stark variieren. JULIA NEBE, M.A. Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin Centre for Health and Society, Medizinische Fakultät, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf julia.nebe@hhu.de Foto: pirvat 16 | GESELLSCHAFT

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