zm112, Nr. 18, 16.9.2022, (1740) ramen apicale und – je nach Stadium der Wurzelentwicklung – der trichterförmigen Konfiguration des apikalen Wurzeldrittels ist die herkömmliche Wurzelkanalaufbereitung und -obturation nicht möglich. Während über Jahrzehnte mit wechselnden Kalziumhydroxid-Einlagen zur Induktion einer apikalen Hartgewebsbarriere gearbeitet wurde, ist diese Methode heute nicht mehr als das Verfahren der Wahl anzusehen. Durch den alkalischen pH-Wert von Kalziumhydroxid kommt es bei mehrwöchiger Kontaktzeit zur Degradation des Kollagengerüsts im Dentin, was zu einer deutlichen Herabsetzung der mechanischen Festigkeit und zu einer erhöhten Frakturanfälligkeit dieser Zähne führt [Bakland und Andreasen, 2012]. Als valide Behandlungsmethode ist die apikale Barrieretechnik (auch apikaler Verschluss oder apikaler Plug) anzusehen. Dabei wird nach entsprechender Desinfektion ein hydraulischer Kalziumsilikatzement (zum Beispiel Mineral Trioxid Aggregat) über den Wurzelkanal kontrolliert nach apikal transportiert und in direktem Kontakt mit dem apikalen Gewebe platziert. Da hydraulische Kalziumsilikatzemente sehr gut gewebeverträglich sind, im feuchten Milieu aushärten und durch die Freisetzung von Kalziumhydroxid die Hartgewebsbildung induzieren [Koutroulis et al., 2019], sind sie für diese Anwendung besonders gut geeignet. Die apikale Barrieretechnik ist technisch anspruchsvoll, erzielt aber meist zuverlässig die Ausheilung der Gewebe und somit gute Erfolgsquoten [Torabinejad et al., 2019]. Während nach einiger Zeit röntgenologisch ein apikaler Hartgewebsverschluss beobachtet werden kann, bleibt ein weiteres Wurzelwachstum oder eine Stabilisierung der Wurzelwände durch Apposition von Hartgewebe jedoch aus. Somit bleibt die Frakturanfälligkeit des betroffenen Zahnes in Abhängigkeit vom Stadium des Wurzelwachstums zum Zeitpunkt der Pulpanekrose bestehen, was die Langzeitprognose mehr oder weniger deutlich einschränken kann. Insbesondere im Fall jugendlicher Zähne wäre somit eine Regeneration der Pulpa mit nachfolgender Dentinapposition und dem Abschluss des Wurzelwachstums sehr wünschenswert. Zur Behandlung von Zähnen mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum und Pulpanekrose ist neben der apikalen Barrieretechnik seit einigen Jahren ein weiteres Verfahren von den endodontologischen Fachgesellschaften empfohlen und detailliert beschrieben: die sogenannte Revitalisierung. Bei dieser Technik wird nach sorgfältiger Desinfektion des Wurzelkanals durch Manipulation der periapikalen Gewebe eine Einblutung in den Wurzelkanal erzeugt. Das so entstehende Blutkoagel dient als Leitschiene für die Neubildung von Gewebe, weswegen sich der Begriff „Revitalisierung“ etabliert hat. NOMENKLATUR Die Revitalisierung geht zurück auf erste Fallberichte, die zu Beginn der 2000er-Jahre publiziert wurden. Dabei wurde nach der erläuterten Vorgehensweise ein Abschluss des Wurzelwachstums bei Zähnen mit zuvor weit offenem Foramen apicale beobachtet. Es folgten weitere Fallberichte, dann Kohortenstudien, schließlich kontrollierte klinische Studien und daraus abgeleitet systematische Übersichtsarbeiten und Metaanalysen. Empfehlungen der European Society of Endodontology (ESE) gibt es seit 2016 [ESE, 2016], von der American Association of Endodontists (AAE) bereits seit 2011, diese wurden aber inzwischen mehrfach überarbeitet [AAE, 2021]. Die Nomenklatur zu diesem Vorgehen ist jedoch uneinheitlich. In den ersten Fallberichten und Fallserien wurde der Begriff der „Revaskularisation“ verwendet. Dieser stammte aus der dentalen Traumatologie und bezog sich auf avulsierte und replantierte Zähne mit weit offenem Foramen apicale, bei denen eine spontane Neubildung von Gewebe im Wurzelkanal beobachtet wurde. Dies wurde in entsprechenden Tierstudien in den 1970er-Jahren bestätigt, wobei die Blutgefäßneubildung histologisch nachgewiesen wurde – daher „Revaskularisation“. Diese Gewebseinsprossung in den Wurzelkanal funktioniert aber nur unzuverlässig und nicht vorhersagbar. Nachdem das neu gebildete Gewebe im Wurzelkanal nicht ausschließlich aus Blutgefäßen besteht, wurde der Begriff verlassen zugunsten der „Regenerative Endodontic Procedures (REP)“. Dies ist darauf zurückzuführen, dass zunächst davon ausgegangen wurde, dass nach dem Erzeugen der Einblutung tatsächlich eine echte Regeneration der Pulpa Abb. 2: Stadien der Wurzelentwicklung nach Cvek: Stadium 1: Wurzel weniger als zur Hälfte ausgebildet, Stadium 2: Wurzel zur Hälfte der Länge ausgebildet, Stadium 3: Wurzel zu zwei Dritteln der Länge ausgebildet, Stadium 4: Wurzellängenwachstum fast abgeschlossen, apikales Foramen weit offen, Stadium 5: Wurzelwachstum abgeschlossen Quelle: Matthias Widbiller DR. MED. DENT. EVA MAIER Zahnklinik 1 – Zahnerhaltung und Parodontologie, Universitätsklinikum Erlangen Glückstr. 11, 91054 Erlangen Foto: UK Erlangen 50 | ZAHNMEDIZIN
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