Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

Hygienemaßnahmen dann in der Regel beeinträchtigt, was wiederum das Entstehen einer periimplantären Mukositis oder sogar einer Periimplantitis begünstigt. Dementsprechend sollte die Prävention von Rezessionen an Implantaten auch als Schutzmaßnahme gegen die Entstehung von Periimplantitis aufgefasst werden. ÄTIOLOGIE UND KLASSIFIKATION GINGIVALER UND MUKOSALER WEICHGEWEBSDEFIZITE/-DEFEKTE Zähne Weichgewebsdefizite an natürlichen Zähnen können die Breite und die Dicke der keratinisierten befestigten Gingiva betreffen und ohne oder mit Rezessionen auftreten. Mukogingivale Zustände ohne Rezessionen: Diese können anhand des gingivalen Phänotyps entweder für die gesamte Dentition oder nur lokal beschrieben werden. Der „gingivale Phänotyp“ beinhaltet die Dicke der Gingiva (mittels Parodontalsonde im Sulkus – dünn: ≤ 1 mm, wenn Sonde durch Gingiva sichtbar; dick: > 1 mm, wenn Sonde nicht sichtbar) und die Breite der keratinisierten Gewebe vom Gingivarand bis zur Mukogingivallinie [Jepsen et al., 2018]. Der Begriff „parodontaler Phänotyp“ umfasst zusätzlich die Dicke des bukkalen Knochens, die allerdings nur aufwendiger (zum Beispiel mit digitaler Volumentomografie, DVT) bestimmt werden kann. Untersuchungen haben gezeigt, dass ein dünner Phänotyp das Risiko für das Entstehen und Voranschreiten von gingivalen Rezessionen erhöhen kann. Mukogingivale Zustände mit Rezessionen: Gingivale Rezession ist definiert als die apikale Verlagerung des Gingivarandes bezogen auf die Schmelz-Zement-Grenze [PiniPrato, 1999], verbunden mit Attachmentverlust und Freiliegen der Wurzeloberfläche. Sie kann an allen Zahnflächen auftreten. Ätiologisch spielen die folgenden prädisponierenden Faktoren bei der Entstehung von Rezessionen eine Rolle [Cortellini & Bissada, 2018; Jepsen et al., 2018; Chambrone et al., 2019]: \ Anatomisch: dünner Phänotyp, Abwesenheit befestigter Gingiva, Zahnstellung, knöcherne Dehiszenszen beziehungsweise Fenestrationen \ Pathologisch: Parodontitis \ Iatrogen: intrasulkuläre Platzierung von Restaurationsrändern, vor allem bei dünnem Phänotyp; Spätfolge kieferorthopädischer Zahnbewegungen, insbesondere bei bukko-lingualer Bewegung (zum Beispiel Proklination unterer Inzisivi) und dünnem Phänotyp \ Traumatisch: traumatische Zahnputztechnik sowie Fremdkörper in Kontakt mit dem Gingivarand (zum Beispiel Lippenpiercing). Keine Evidenz gibt es dafür, dass okklusale Kräfte gingivale Rezessionen verursachen. Seit 2018 werden mukogingivale Zustände mit Rezessionen durch eine neue Klassifikation beschrieben [Jepsen et al., 2018]. Diese bezieht neben der eigentlichen Rezessionstiefe (zum Beispiel bukkal) und dem interdentalen klinischen Attachmentverlust [Cairo et al., 2011] auch den gingivalen Phänotyp, den Zustand der Wurzeloberfläche (Defekte des Wurzeldentins durch NCCL oder Karies) und die Erkennbarkeit der SchmelzZement-Grenze [PiniPrato et al., 2010] mit ein [Cortellini & Bissada, 2018] (Abbildungen 1 und 2). Weitere wichtige Aspekte können die Zahnposition, ein abnormes Frenum und die Zahl angrenzender Rezessionen sein, aber selbstverständlich auch patientenbezogene Probleme wie Ästhetik und Dentinhypersensitivität. Die Einbeziehung all dieser Faktoren ist deshalb so bedeutsam, da diese bei der Planung eines Eingriffs zur Rezessionsdeckung eine Rolle spielen. Die aktuelle Klassifikation hat die bis dahin gültige Klassifikation nach Miller (1985) mit den Rezessionsklassen I bis IV abgelöst. Dennoch wird man diese in vielen Literaturübersichten und Analysen nach wie vor finden, da sie bis vor wenigen Jahren in allen Studien verwendet wurde. Implantate Grundsätzlich können sich drei Arten von Weichgewebskomplikationen an Implantaten entwickeln: ein Mangel an befestigter Mukosa, ein Volumendefizit und eine periimplantäre mukosale Rezession [Thoma et al., 2022]. Nach einer Zahnextraktion wird eine deutliche Abnahme der Kieferkammdimensionen beobachtet [Hämmerle et al., 2012; Avila-Ortiz et al., 2014; Jung et al., 2018], die nicht nur den PD DR. MED. DENT. KARIN JEPSEN Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde, Zentrum für ZMK, Universitätsklinikum Bonn, Welschnonnenstr.17, 53111 Bonn kjepsen@uni-bonn.de Studium der Zahnmedizin in Mainz und Hamburg 1983–1985: Weiterbildung Oralchirurgie Universität Hamburg 1986–1988: Postgraduierten-Studium Parodontologie / Orale Implantologie, Loma Linda University, Kalifornien, USA (DAAD-Stipendium) 1989–1991: Post Doc Parodontologie / Implantologie / Orale Mikrobiologie (DFG-Stipendium) 1992–1993: Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Klinik für Zahnerhaltung & Parodontologie, Uni Kiel 1997: Spezialistin der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie 1993–2008: Praxistätigkeit in eigener Praxis für Parodontologie und Implantologie in Hamburg seit 2008: Oberärztin, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universität Bonn Foto: UK Bonn zm112, Nr. 18, 16.9.2022, (1751) ZAHNMEDIZIN | 61

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