Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm112, Nr. 19, 1.10.2022, (1832) des Oberkiefers fast doppelt so häufig betreffen wie den Unterkiefer [Menon et al., 2013]. Bei etwa 27 Prozent sind multiple Knochen befallen und in seltenen Fällen (circa drei Prozent) tritt eine schwere Verlaufsform, ein McCune-Albright-Syndrom, mit begleitenden Endokrinopathien und typischen Café-au-lait-Flecken der Haut auf [Kimitsuki und Komune, 2015]. Je nach Ausmaß und Lokalisation der Wucherungen, insbesondere wenn diese in Nachbarschaft wichtiger Leitungsbahnen liegen, können exazerbierende Symptome wie Schmerzen und Bewegungseinschränkungen, in ausgeprägten Fällen sogar pathologische Frakturen resultieren. Neben der klinischen Untersuchung ist die Diagnose der fibrösen Dysplasie überwiegend radiologisch zu stellen [Vogelsang et al., 1978]. Typischerweise zeigt eine fibröse Dysplasie bildmorphologisch in Orthopantomogramm (OPTG) und CT neben einer ausgedünnten, intakten Kompakta eine charakteristische, milchglasartige Struktur der betroffenen Knochen [Fitzpatrick et al., 2004]. Abhängig davon, ob fibröse oder ossäre Gewebeanteile überwiegen, dominieren Aufhellungen oder Verschattungen die oben genannten bildgebenden Verfahren. Insbesondere zur besseren Differenzierung, respektive Abgrenzung mon- und polyostotischer Krankheitsbilder ist in ausgewählten Fällen auch eine nuklearmedizinische Skelettszintigrafie wegweisend [Vogelsang et al., 1978]. Neben klar kennzeichnenden radiologischen Merkmalen kann auch der Nachweis einer GNAS-Genmutation die herkömmliche chirurgische Biopsiediagnostik, deren Notwendigkeit immer in Abhängigkeit des zu erwartenden diagnostischen Nutzens und des individuell bestehenden Frakturrisikos evaluiert werden sollte, ergänzen [Ostertag und Glombitza, 2018]. Differenzialdiagnostisch sind insbesondere aufgrund ähnlicher radiologischer Charakteristika und Prädilektionsstellen der Morbus Paget, das multiple Myelom, das Osteom, das ossifizierende Fibrom und mögliche Filialisierungen eines unbekannten Primarius zu nennen [Lisle et al., 2008]. Auch odontogene Manifestationen wie aneurysmatische Knochenzysten sollten bei der differenzialdiagnostischen Einordnung Beachtung finden. Eine kausale Therapie der fibrösen Dysplasie existiert zurzeit nicht. Bei asymptomatischer, isoliert lokalisierter Manifestation ist in der Regel keine invasive Therapie erforderlich [Masthoff et al., 2021]. Neben der symptomorientierten, pharmakologischen Schmerztherapie steht die chirurgische Resektion von ästhetisch störenden oder Leitungsbahnen beeinträchtigenden Knochenwucherungen, gegebenenfalls in Kombination mit physiotherapeutischer Behandlung, im Vordergrund [Javaid et al., 2019]. Neue therapeutische Ansätze beschäftigen sich unter anderem mit dem Einsatz von Bisphosphonaten, die Studien zufolge durch ihren Eingriff in den Knochenstoffwechsel einen Progress der Krankheit zumindest teilweise verringern können [Egner, 2003]. Aus zahnmedizinischen Gesichtspunkten kann das Vorliegen einer fibrösen Abb. 3: 3-DRekonstruktion des linken Kieferwinkels aus dem DICOMDatensatz des CT Quelle: Peer W. Kämmerer Abb. 4: Die aktuelle MRT-Bildgebung (05/2022) zeigt eine geringgradige Progredienz der dysplastischen Knochenanteile des linken Kiefers, exemplarisch am linken Kiefergelenk (a: weißer Pfeil) und am linken Kieferwinkel (b: weißer Pfeil). UNIV.-PROF. DR. DR. PEER W. KÄMMERER, MA, FEBOMFS Leitender Oberarzt und stellvertretender Klinikdirektor Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz peer.kaemmerer@unimedizin-mainz.de Foto: privat Quelle: Peer W. Kämmerer a b 34 | ZAHNMEDIZIN

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