Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm112, Nr. 19, 1.10.2022, (1843) gebrauchet, als geschlagen Bley oder Zinn.“ Er lehnte aber Gold aus zwei Gründen eher ab: Die Folie ließ sich nicht so gut in der Kavität adaptieren, und es wurden als teure Goldrestaurationen gefärbte Bleioder Zinnfolien oder auch nur eine äußere Lage Goldfolien betrügerisch benutzt. Umso umfangreicher nutzte Fauchard jedoch Gold für Prothesenkonstruktionen, die er umfangreich mit Scharnieren und Federn weiterentwickelte. Greene Vardiman Blacks (1836–1915) Auffassung zu Füllungsmaterialien war dagegen 200 Jahre später in seiner „Konservierenden Zahnheilkunde“ [Black, 1914] viel eindeutiger: „Gold sollte stets die erste Stelle einnehmen und sollte das Material sein, das wir immer wählen, wenn es nicht aus bestimmten Gründen [kosmetisch, ökonomisch – Anmerkung der Autoren] kontraindiziert ist. Es nimmt diese Stelle wegen seines Wertes als Füllungsmaterial ein, nicht wegen seiner Kostspieligkeit oder der allgemeinen Anerkennung seiner Reinheit und Unzerstörbarkeit oder wegen jenes Zaubers, der von seiner Verwendung als Münze herrührt“. Blacks Empfehlungen für die Restauration umfassten: 1. Wahl: Gold für die Hämmertechnik, 2. Wahl: Silberamalgam als Alternative, 3. Wahl: Porzellan- und GoldEinlagefüllungen 4. Wahl: Zinkphosphatzemente für provisorische Versorgungen. DAS KONZEPT DER ANPASSUNGSFÄHIGEN RESTAURATIONEN Wenn Zähne durch Abrasion und Attrition über ihre lebenslange Funktionszeit dynamisch okklusal und approximal zuerst Schmelz und später auch Dentin verlieren, dann müssen alle Langzeit-Restaurationen diese Veränderungen natürlich mitmachen. So entstand aus der vergleichenden Odontologie der Säugetier-Dentitionen [Gängler, 1986], aus klinischen Schlüsselarbeiten zur longitudinalen Bestimmung der radiologisch-kontrollierten Zahneruption [Ainamo und Ainamo, 1984] und zur Erfassung der kontinuierlichen Eruption über 16 Jahre in der Greifswalder SHIP-O versus SHIP-II-Studie [Wiedemann et al., 2021] ein sicherer Beweis einer begrenzt-permanenten Eruption. Der wurde ergänzt von den 29 Jahre lang klinisch und rasterelektronenmikroskopisch bestimmten okklusalen Abrasions- und Attritionsveränderungen an Composite-gefüllten Zähnen [Montag et al., 2018]. So entstand über fast vier Jahrzehnte hinweg das Konzept der anpassungsfähigen Restaurationen [Gängler et al., 2019]. Dieses beruht auf zwei Säulen: der begrenzt-permanenten Eruption ein Leben lang und der Abrasion und Attrition der Zahnkronen okklusal durch die Kaufunktion, die Nahrungszusammensetzung und approximal allein durch die attritive Reibung der Zähne aneinander. Damit verhält sich die menschliche Dentition genauso wie alle omnivoren Dentionen der „Allesfresser“-Säugetiere. Die Zähne wachsen durch die Alveolenumbildungen langsam, eben begrenzt, um so viel wie okklusal funktionell verloren geht. Die apikale Zementapposition trägt ihren Teil dazu bei. Diese begrenzt-permanente Eruption zeichnet sich durch eine große individuelle Vielfalt und altersabhängige Dynamik aus, die die adäquaten Restaurationsentscheidungen beeinflussen. Mit zunehmendem Lebensalter und mehr erhaltenen Zähnen wird das Konzept umso bedeutungsvoller. Die klinische Konsequenz lässt sich einfach ableiten: Das für Restaurationen zu wählende Material sollte sich an die individuellen Abrasionsmuster, die Kauaktivität sowie die Karies- und ParodontitisErfahrungen anpassen können. FUNKTIONSZEITEN UND KLINISCHE KONSEQUENZEN Hochgoldhaltige Legierungen wurden zwischen 1990 und 2022 in zwölf retrospektiven Studien klinisch beAbb. 2: Molar 16: Digitaler Scan-Befund (a) der klinischen Teilkronenpräparationen 16 und 17 (b). Der Zahn 17 war vor vier Jahren mit einer akuten Pulpitis infolge einer koronalen Infraktion wurzelkanalbehandelt worden. c: Gefräste Teilkronen (Hafner) in situ aus hochgoldhaltiger Legierung Orplid®H. Abbildungen: Frank Löring, Ute Gerhards, Tomas Lang a b c DR. MED. DENT. UTE GERHARDS Abteilung für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin, Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universität Witten/Herdecke Alfred-Herrhausen-Str. 50, 58448 Witten Foto: privat TITEL | 45

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