Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm112, Nr. 19, 1.10.2022, (1870) NACH DER AVULSION VON SCHNEIDEZÄHNEN Autogene Zahntransplantation von Prämolaren Winfried Harzer, Marie-Theres Weber Die Autotransplantation eines Prämolaren nach traumatischem Verlust eines Schneidezahns in dessen Alveole ist in den skandinavischen Ländern ein weit verbreitetes und erfolgreich angewandtes Verfahren. Bei kindlichen Patienten kann diese Therapievariante in definierten Zeitfenstern ausgezeichnete Behandlungsergebnisse liefern. An zwei Fallbeispielen werden das operative Vorgehen und die anschließende Umformung der Prämolaren- in eine Schneidezahnkrone mit Komposit dargestellt. In der umfassenden Fortbildung „Die Einzelzahnlücke – Optionen der Versorgung“ (zm 4/2022 und zm 5/2022) wurde (neben den vielfältigen Therapieoptionen) nur marginal auf die Autotransplantation von Zähnen oder Zahnkeimen hingewiesen – mit der Anmerkung des sehr seltenen Vorkommens [Lapatki, 2022]. Dies trifft für Deutschland, nicht aber für die skandinavischen sowie weitere europäische Länder zu. Andreasen et al. [1990] berichten von 370 Prämolaren, die über einen Zeitraum von 13 Jahren hauptsächlich als Ersatz bei Aplasie transplantiert wurden. Kvint et al. [2010] beschreiben über 215 Autotransplantationen, bei denen 24 Prämolaren in die obere Schneidezahnregion transplantiert wurden – mit einer Erfolgsrate von 100 Prozent. Die Häufigkeit für den Frontzahnverlust beträgt drei bis vier Prozent. Die Altersgipfel liegen zwischen dem achten und dem neunten sowie vom zwölften bis zum 14. Lebensjahr. Betroffene Zähne sind der mittlere und der seitliche Schneidezahn im Oberkiefer. Es besteht eine Korrelation der Häufigkeit zu den Zahnstellungsanomalien der vergrößerten sagittalen Schneidekantenstufe, dem schmalen Deckbiss mit protrudierten seitlichen Schneidezähnen und progen stehenden Einzelzähnen. Obwohl bei Avulsion die sofortige Reimplantation zum Erhalt des Zahnes führen kann, sind häufig Ankylosen des Parodonts und Wurzelresorptionen mit begrenzter Erhaltungswürdigkeit die Folgen. Eine fehlende Sensibilität, ein hoher Klopfschall und der röntgenologische Resorptionsnachweis sind diagnostische Anzeichen dafür. Aus allgemeinzahnärztlicher und kieferorthopädischer Sicht gibt es unter Berücksichtigung der Dentition die folgenden Therapiealternativen: ! Kieferorthopädischer Lückenschluss im Wechselgebiss bei Zahnengstand mit und ohne Indikation zur Prämolarenextraktion. Bei Letzterem sind nur drei und nicht vier Prämolaren zu extrahieren. Ein kieferorthopädischer Lückenschluss nach Abschluss der Dentition und gesicherter Okklusion sollte nur mittels zusätzlicher skelettaler Verankerung in Ausnahmefällen erfolgen. ! Prothetischer Lückenschluss mittels temporärem Lückenhalter/Adhäsivbrücke und späterem Einzelimplantat oder Brückenversorgung ! Autotransplantation eines Prämolaren in die Schneidezahnlücke des Oberkiefers Während die ersten beiden Therapievarianten in der Fortbildung „Die Einzelzahnlücke“ ausführlich dargestellt wurden, sollen im Folgenden an zwei Autotransplantationsfällen die Indikationsbreite, das methodische Vorgehen und die Vorteile und RisiZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. PROF. DR. MED. HABIL. WINFRIED HARZER Poliklinik für Kieferorthopädie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden Fetscherstr. 74, 01307 Dresden Foto: privat DR. MED. DENT. MARIE-THERES WEBER Poliklinik für Zahnerhaltung, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden Fetscherstr. 74, 01307 Dresden Foto: Tanja Kirsten 72 | ZAHNMEDIZIN

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