Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm112, Nr. 19, 1.10.2022, (1878) STUDIE DER UNIVERSITÄT KÖLN Die Endokarditis-Inzidenz steigt Carolyn Weber, Maximilian Lühr Seit Änderung der Leitlinien im Jahr 2009, die eine Endokarditis-Prophylaxe lediglich für Patientinnen und Patienten mit höchstem Risiko empfehlen, kann eine Zunahme der Streptokokken-bedingten infektiösen Endokarditis verzeichnet werden. Zwar zeigen Studienergebnisse einen nur zeitlichen, aber keinen kausalen Zusammenhang – dennoch sind die Zahlen beunruhigend. Eine Herzklappenentzündung (infektiöse Endokarditis) ist ein schwerwiegendes Krankheitsbild, das altersunabhängig alle Bevölkerungsschichten, auch ohne Vorerkrankungen, betreffen kann. Die Diagnostik und die Therapie der infektiösen Endokarditis stellen aufgrund ihrer steigenden Inzidenz sowie ihrer hohen kurz- und langfristigen Mortalität eine relevante Erkrankung dar, die nicht zuletzt aufgrund der steigenden Anzahl von Patientinnen und Patienten mit künstlichen Herzklappen zunehmend an Bedeutung gewinnt. BAKTERIÄMIE BEIM ZÄHNEPUTZEN? Das Prinzip der Antibiotikaprophylaxe basiert auf Studien des frühen 20. Jahrhunderts. Zugrunde liegt die Hypothese, dass eine transiente Bakteriämie im Rahmen von medizinischen Eingriffen eine infektiöse Endokarditis verursachen kann. Mittlerweile wird infrage gestellt, ob die transiente Bakteriämie im Rahmen von zahnärztlichen Eingriffen – anders als lange propagiert – wirklich entscheidend für die Entwicklung einer infektiösen Endokarditis ist. Vielmehr scheinen alltägliche Dinge wie das Zähneputzen oder das Benutzen von Zahnseide auch einen Einfluss auf die Entstehung einer infektiösen Endokarditis zu haben. Aufgrund der fehlenden Evidenz für den Nutzen einer Antibiotikaprophylaxe (keine randomisiertkontrollierten Studien, nur retrospektive Daten) wurden die amerikanischen und die europäischen Leitlinienempfehlungen für die Anwendung einer Antibiotikaprophylaxe bei Patientinnen und Patienten mit einem Risiko für eine infektiöse Endokarditis zwischen 2007 und 2009 maßgeblich geändert [Habib et al., 2009; Wilson et al., 2007]. Den Leitlinien ist gemeinsam, dass die Zahl derer, denen nun eine Antibiotikaprophylaxe empfohlen wird, deutlich reduziert wurde, da es an belastbaren Daten zur Wirksamkeit PD DR. CAROLYN WEBER Klinik für Herzchirurgie, herzchirurgische Intensivmedizin und Thoraxchirurgie, Herzzentrum der Universität zu Köln Kerpener Str. 62, 50937 Köln carolyn.weber@uk-koeln.de Foto: MedizinFotoKöln, Uniklinik Köln Abb. 1: Intraoperativer Befund einer Nativklappen-Endokarditis mit deutlicher Destruktion im Bereich des anterioren Mitralklappensegels (Pfeil) Foto: Klinik für Herzchirurgie, Uniklinik Köln 80 | MEDIZIN

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