zm112, Nr. 19, 1.10.2022, (1883) schiedliche Phänotypen der Erkrankung: den perinatalen, den pränatalen, den gutartigen, den infantilen, den erwachsenen und den Odontotypen. Die Häufigkeit der beiden erstgenannten Formen, die die schwersten sind, geben Okawa und Nakano mit 1/300.000 in Europa, 1/100.000 in Nordamerika und 1/150.000 in Japan an [2022]. Der Odontotyp gilt als die häufigste Form – Zahlen gebe es hierzu aber keine, erklären die Forscher. Die Verläufe können sich sogar innerhalb einer Familie stark unterscheiden und reichen von lebensbedrohlichen Zuständen bis zu lediglich unspezifischen Gelenk- und Muskelschmerzen sowie dentalen Manifestationen, erklärt das Universitäre Zentrum für Seltene Erkrankungen Leipzig (UZSEL). Die Diagnose kann anhand eines Gentests gestellt werden. Insbesondere die fehlende Spezifität der Symptome und deren Vielfältigkeit führen aber bei vielen Betroffenen zu einer späten Diagnosestellung. FRÜHER MILCHZAHNVERLUST IST HAUPTSYMPTOM Zahnärztinnen und Zahnärzte können in hohem Maß zu einer frühen Diagnosestellung beitragen, wenn sie die charakteristischen, dentalen Anzeichen einer Hypophosphatasie kennen. Als spezifische dentale Manifestation der Hypophosphatasie nennen die Autoren einen frühen Milchzahnverlust, meist beginnend mit den unteren Schneidezähnen. Dieser könne bereits zwischen dem ersten und dem vierten Lebensjahr auftreten und gilt – neben einer Störung der Knochenmineralisierung – als Hauptsymptom. Ursächlich für den frühen Zahnverlust sei vermutlich die Hypomineralisierung des Zements. Bei Frontzähnen führe dies zu einem frühen Verlust, während bei Molaren eine Ankylose möglich sei, erklären die Wissenschaftler. Bei früher Milchzahn-Exfoliation sei überdies auffällig, dass die Zahnwurzel entweder noch gar nicht vollständig ausgebildet ist oder – bei vollständiger Ausbildung – keinerlei Resorptionszeichen zeigt. Als weitere orale Symptome nennen Okawa und Nakano das Auftreten von Parodontitis bereits im Milchgebiss, den frühzeitigen „Verlust bleibender Zähne, eine Hypoplasie von Zahnschmelz und Dentin, eine verringerte Dentinstärke, breite Pulpakammern, dünne und kurze Wurzeln und Karies“ [2022]. ENZYMTHERAPIE VERBESSERT ÜBERLEBENSCHANCEN BEI SCHWEREN FORMEN Seit der Einführung der Langzeit-Enzymersatztherapie mit Asfotase alfa in 2015 kann bei Patientinnen und Patienten mit schweren Formen erstmals die Krankheitsursache, also das Fehlen eines Enzyms, behandelt werden [IQWIG]. Unter der Enzymersatztherapie sind die Überlebensraten bei Kleinkindern höher und die Lebensqualität verbessert. Der Nutzen für ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene ist mangels Daten aber aktuell noch unklar [IQWiG]. Trotz der schwachen Datenlage geben Studien Hinweise darauf, dass die Enzymtherapie bei schweren Formen der Hypophosphatasie positive Auswirkungen auf die Zahnhartsubstanz zu haben scheint: „Mehrere neuere Studien haben [...] Verbesserungen des Alveolarknochens, der Wurzelmineralisierung und der Zementbildung [...] gezeigt, was zu einer Stabilisierung der Milchzähne führt“ [Okawa und Nakano, 2022]. Die Wissenschaftler vermuten, dass einige Patientinnen und Patienten mit Hypophosphatasie nicht wissen, dass sie erkrankt sind, „weil die systemischen Symptome das tägliche Leben nicht beeinträchtigen oder in leichten Fällen, wie zum Beispiel im Kindesalter und bei Odontotypen, überhaupt keine subjektiven Symptome auftreten“ [Okawa und Nakano, 2022]. Da es aber im Lauf des Lebens zu einer Verschlechterung und zu einem zusätzlichen Auftreten von systemischen Symptomen kommen kann, profitieren alle Betroffenen von einer frühen Diagnose. Deshalb appellieren die Forscher an die Zahnärzteschaft, bei frühzeitigem Milchzahnverlust aufmerksam zu sein und die Kinder zur weiteren Diagnostik an einen Spezialisten zu überweisen. \ Okawa R, Nakano K.: Dental manifestation and management of hypophosphatasia. Jpn Dent Sci Rev. 2022 Nov;58:208–216. doi: 10.1016/j.jdsr.2022.06.002. Epub 2022 Jul 2. PMID: 35814738; PMCID: PMC9260292 ZAHNMEDIZIN | 85
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