Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

zm112, Nr. 20, 16.10.2022, (1950) warten kam es jedoch zu einer nur marginalen Verbesserung der initial beschriebenen Symptomatik, da sich im späteren Verlauf zunehmend Hinweise auf eine CMD fanden. DISKUSSION Im Rahmen der radiologischen Routinediagnostik erhobene Zufallsbefunde sind in der Zahnmedizin nicht selten [Ghassemzadeh et al., 2021; Bondemark et al., 2006]. Auch wenn verbliebene Projektile aus Schusswaffen oder deren Anteile in der Literatur beschrieben sind [Rao et al., 2014; Barett et al., 1984; Wenham et al., 2009], stellen diese sicherlich eine besondere Ausnahme unter den Zufallsbefunden dar. Besonders in Deutschland sind penetrierende Verletzungen durch den Gebrauch von Handfeuerwaffen ausgesprochen selten [Bieler et al., 2021]. Im konkreten Fall erschien es aufgrund der wenig eindrücklichen Narbe im Bereich der retrospektiv zu vermutenden Eintrittswunde und der fehlenden anamnestischen Angaben dahingehend ausgesprochen unwahrscheinlich, dass es sich bei dem Fremdköper um ein Projektil handeln könnte. Auf der anderen Seite sprach die ausgeprägte Radiodensität für ein am ehesten aus einem stark radiodensen Metall (in diesem Fall Blei) bestehenden Fremdkörper. Die in der DVT auszumachende Größe von knapp 5 mm in Kombination mit der besonderen Form ließen retrospektiv betrachtet auf einen sogenannten Spitzkopfdiabolo schließen. Diese werden aus – meist ab 18 Jahren frei verkäuflichen – Luftgewehren mit Kaliber 4,5 mm im Freizeitbereich und in der Schädlingsabwehr eingesetzt. Extrem ungewöhnlich war jedoch, dass für eine Schussverletzung in der Anamnese keinerlei Hinweise zu finden waren. Weder war dem Patienten eine solche Verletzung erinnerlich, noch bestanden andere Umstände (Aufenthalt in einem Kriegsgebiet, betrunkenes Hantieren mit Schusswaffen), die auf eine solche Verletzung schließen ließen. Darüber hinaus sind Fälle unbemerkt eingesprengter Projektil(teil)e ausgesprochen selten und selbst international nur spärlich beschrieben [Rao et al., 2014; Barett et al., 1984; Wenham et al., 2009]. Obwohl der Befund im vorliegenden Fall abklärungsbedürftig war, musste dem Patienten zuvor klar kommuniziert werden, dass eine Entfernung des Fremdkörpers nicht unbedingt zu einer Beschwerdebesserung führt, jedoch in jedem Fall gewisse Risiken birgt. Aufgrund des hohen Leidensdrucks und insbesondere aufgrund der Unkenntnis der Entität des Fremdkörpers wurde sich hier rasch zur Exploration und Entfernung entschlossen. \ DR. MED. FRITJOF LENTGE Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover Foto: Viola Pawlaczyk FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Zufallsbefunde sind insbesondere in tomografischen Aufnahmen nicht selten. Sie bedürfen häufig einer weiteren Abklärung. \ Selbst eine gründliche, wiederholte Anamnese garantiert nicht die Richtigkeit der Angaben. \ Insbesondere bei für eine längere Zeit eingesprengten Fremdkörpern ist nach der Entfernung nicht immer mit einer sofortigen Besserung der Beschwerden zu rechnen. Abb. 3: Entfernter Fremdkörper: Bei dem Projektil handelt sich um einen 4,5-mm-Spitzkopfdiabolo, der gewöhnlich aus Luftgewehren verschossen wird. Foto: Viola Pawlaczyk, MHH UNIV.-PROF. DR. MED. DR. MED. DENT. NILS-CLAUDIUS GELLRICH Klinik und Poliklinik für Mund-, Kieferund Gesichtschirurgie, Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover Foto: Viola Pawlaczyk ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 40 | ZAHNMEDIZIN

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