Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

zm112, Nr. 20, 16.10.2022, (1958) FACHKRÄFTEMANGEL IN DER ZAHNARZTPRAXIS Ist eine Hotelkauffrau die Lösung? Not macht bekanntlich erfinderisch: Laut Virchowbund suchen erste Arztpraxen zur Besetzung offener MFA-Stellen bereits gezielt nach Bürokaufleuten und Hotelfachkräften. Ist das eine mögliche Lösung, vielleicht auch für die Rezeption in der Zahnarztpraxis? Der Verband medizinischer Fachberufe (VmF) ist skeptisch. Präsidentin Hannelore König bewertet die Idee „ausgesprochen kritisch“. Der Mangel an medizinischen Fachkräften lässt Praxisinhaber zunehmend verzweifeln. In Bremen haben einer Umfrage der Kassenärztlichen Vereinigung zufolge etwa 80 Prozent aller Praxen Probleme bei der Besetzung offener Stellen (siehe zm 14/2022). Dass nun einige Chefinnen und Chefs auch abseits ihrer Branche nach BewerberInnen suchen, findet der Virchowbund gut. „Der Bewerber-Pool ist deutlich größer, wenn nicht nur MFA infrage kommen“, hebt der Verband in einem im Ärztenetzwerk coliquio sowie im Branchenportal Medscape erschienenen Artikel hervor. Zudem hätten in den vergangenen Jahren viele Beschäftigte im Tourismus ihre Jobs verloren und seien „offen für einen Branchenwechsel“. Diese Menschen „sind geschult im Umgang mit Menschen – ein wichtiger Aspekt der Tätigkeit als MFA. Telefonate, organisatorische Arbeiten und Gespräche an der Anmeldung dürften sie vor keine große Herausforderung stellen“. Die „branchenspezifische ServiceDenke“ und möglicherweise Fremdsprachenkenntnisse könnten eine Bereicherung für die Praxis sein, ist da zu lesen. KOMPETENZ IST NICHT DURCH FREUNDLICHKEIT ERSETZBAR Für den VmF klingt das allerdings nach einer Mogelpackung: Die „branchenspezifische Servicedenke“ und Fremdsprachenkenntnisse seien zwar angebracht, wenn es um den Verkauf individueller Gesundheitsleistungen geht und Patienten als Kunden gesehen werden. „Ob sich zahnmedizinische Fachkompetenz allein durch Freundlichkeit und Serviceverhalten ersetzen lässt, ist jedoch fraglich“, findet VmF-Präsidentin König. Die vom Virchowbund aufgestellte Aufzählung der Arbeiten, die keine besondere Qualifikation erfordern, bewertet der VmF ebenfalls kritisch: „So ist an die Terminvergabe auch Wissen über die Behandlungen und wie lange diese dauern geknüpft. Gleiches gilt für den Sprechstundenablauf und den Telefondienst“, betont König. Ob eine Kurzschulung zur Dringlichkeit bestimmter Patientenfälle und Notfälle möglich ist, sei mit Blick auf die Patientensicherheit ebenso infrage zu stellen. König: „Nicht ohne Grund dauert selbst die Umschulung zur MFA oder ZFA mindestens zwei Jahre.“ Der Virchowbund gibt sich optimistischer: Die Umschulung könne ja bei entsprechend dokumentierter VorQualifikation verkürzt werden. Auch sei eine Umschulung in Teilzeit möglich. Und: „Die Kosten werden unter Umständen vom Arbeitsamt oder der Rentenversicherung übernommen.“ Ob der Vorschlag des Virchowbunds angesichts der Dimension offener Stellen überhaupt eine Lösung sein kann, bleibt fraglich. Laut VmF waren im August 2022 bei den Arbeitsagenturen 9.782 MFA-Stellen und 7.457 ZFA-Stellen als offen gemeldet. Dem standen 9.863 arbeitslose MFA und 5.236 arbeitslose ZFA gegenüber. Der Virchowbund sieht die Herausforderung nicht nur darin, diese Gruppen zusammenzubringen, sondern auch in der sich verschärfenden Wettbewerbssituation mit anderen potenziellen Arbeitgebern. „Es ist inzwischen Fakt, dass Praxen auf dem Markt der ausgebildeten MFA sowohl mit Krankenhäusern als auch Krankenkassen konkurrieren“, sagte ein Sprecher den zm, „Wobei letztere nicht selbst ausbilden und voll qualifizierte MFA mit deutlich höheren Gehältern abwerben. Diesen Missstand gilt es abzustellen.“ mg Foto: contrastwerkstatt – stock.adobe.com 48 | PRAXIS

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