Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

zm112, Nr. 20, 16.10.2022, (1960) DISEASE-AWARENESS VON INFLUENCERN Können diese Augen lügen? Influencer-Marketing ist auch im Gesundheitsbereich längst nicht mehr nur plumpe Werbung, die Erfolgsgeschichten und Rabattcodes unter das Volk bringt. Nein, es gibt auch komplexe Kampagnen, mit denen Pharmariesen am Heilmittelwerbegesetz vorbei darauf setzen, ein Krankheitsbewusstsein – die „DiseaseAwareness“ – zu schaffen. Wahrscheinlich begann alles 2015 mit einem InstagramPost der US-amerikanischen Influencerin Kim Kardashian. „OMG. Habt ihr davon gehört?“, schrieb das damals schwangere Model an ihre seinerzeit 34 Millionen InstagramFollower und lobte das Präparat Diclegis, weil es ihr angeblich so gut bei ihrer Morgenübelkeit geholfen habe. „Es wurde untersucht und es gibt kein erhöhtes Risiko für das Baby“, schrieb sie neben einem Selfie, auf dem sie das Präparat in die Kamera hielt. Sie sei so glücklich über die Wirkung, dass sie – gemeinsam mit dem Pharmahersteller Duchesnay – Aufmerksamkeit auf das Problem und seine mögliche Lösung lenken wolle. Heute taugt die Causa Kardashian nur noch als Anekdote aus der Welt der Stars und Sternchen. Sieben Jahre später ist der Werbemarkt viel weiter: Pharmaunternehmen arbeiten zunehmend mit echten Patienten zusammen, die ihre persönlichen Geschichten teilen und sich online für Marken einsetzen. Inwieweit das die Arzt-Patienten-Interaktion, vor allem die partizipative Entscheidungsfindung beeinflusst, ist dabei so gut wie nicht erforscht. Aufgrund der negativen Sicht der Verbraucher auf Pharmaunternehmen erscheint es aus deren Perspektive durchaus sinnvoll, diese neuen Marketing-Taktiken einzusetzen. Ziel ist, „Beziehungen zu den Verbrauchern aufzubauen und zu verbessern“, beschrieben Forscher im April 2022 im Journal of Medical Internet Research das Phänomen [Willis et Delbaere, 2022] – und fordern mehr Studien, die die Folgen dieses Trends untersuchen. Frühere Forschungen dokumentierten zwar gut die ethischen Dilemmata der Direktwerbung an Verbraucher, gleichzeitig hinke die akademische und medizinische Literatur zu SocialFoto: Instagram_Kimkardashian Mit diesem Post schuf Kim Kardashian einen Meilenstein des Influencer-Medizin-Marketings. Auf die Lobhudelei zum Präparat Diclegis folgte damals die Rüge der US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA) und eine verspätete Korrektur. In der Richtigstellung gab das Model zu, es gebe sehr wohl Risiken und Nebenwirkungen für Schwangere. 50 | GESELLSCHAFT

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