Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

zm112, Nr. 20, 16.10.2022, (1974) DER BESONDERE FALL MIT CME Vaskuläre Anomalie im Kopf-Hals-Bereich Daniel Stephan, Peer W. Kämmerer Im Unterschied zu vaskulären Tumoren, die echte Neoplasien darstellen, beruhen vaskuläre Malformationen auf einer fehlerhaften Angiogenese in der Embryonalentwicklung und werden trotz des kongenitalen Auftretens häufig erst durch eine Progressionstendenz in späteren Lebensphasen klinisch auffällig. Sind Tumoren bei nachweisbarem Wachstum sofort zu therapieren, steht bei vaskulären Malformationen die Blutungsprophylaxe im Vordergrund, so dass auch eine konservative Therapie möglich ist. Im August 2022 stellte sich eine 34-jährige Patientin nach Überweisung durch den Hauszahnarzt aufgrund einer intraoralen Schwellung im linken Seitenzahnbereich des Unterkiefers in der Poliklinik der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universitätsmedizin Mainz vor. Anamnestisch bestand die Schwellung schon seit mehreren Monaten, verhielt sich aber in den vergangenen Wochen größenprogredient. Die allgemeine Anamnese war unauffällig, es bestanden weder Schmerzen noch Schluckbeschwerden oder Atemnot. Im Rahmen der klinischen Untersuchung präsentierte sich eine circa 1,5 cm große, livide-bläulich verfärbte, diskrete, prall elastische Schwellung im linken Vestibulum Regio 36 ohne palpable Pulsation (Abbildung 1). Ein mit Kontrastmittel durchgeführtes MRT ergab den bildmorphologischen Befund einer dem linken Alveolarknochen von vestibulär angelagerten, kontrastmittelanreichernden, vaskulären Anomalie (hyperintense Struktur entlang des Alveolarfortsatzes in der T1-Wichtung; Abbildung 2). Aufgrund des Patientenwunsches nach Entfernung und des zunehmenden Blutungsrisikos bei fortschreitender Größenprogredienz erfolgte die Resektion des Befunds bereits in der darauffolgenden Woche in Allgemeinanästhesie. Nach marginaler Schnittführung von 34 bis 38 mit distaler Entlastung auf dem aufsteigenden Unterkieferast sowie subperiostaler Präparation (Abbildung 3a) konnte der Befund behutsam unter Schonung der Mukosa in toto ohne Sicherheitsabstand herausgelöst werden (Abbildungen 3b, 3c und 4). Ein zuführender Gefäßstiel wurde unterbunden und nach unauffälligem postoperativem Verlauf, insbesondere ohne Zeichen einer Nachblutung, konnte die Patientin noch am selben Tag in die Häuslichkeit entlassen werden. Histopathologisch zeigte sich ein weichgewebliches Exzidat mit Anteilen eines gutartigen vaskulären Tumors histologisch vereinbar mit einer fibroadipösen vaskulären Anomalie ohne Anhalt für Malignität. Die weitere Wundheilung zeigte sich im Verlauf komplikationslos und ohne Auftreten eines Rezidivs. Abb. 1: Klinischer enoraler Befund bei der Erstvorstellung der Patientin mit Verdacht auf eine vaskuläre Malformation im linken Vestibulum Regio 36 Foto: Peer W. Kämmerer DANIEL STEPHAN Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: Universitätsklinikum Mainz 64 | ZAHNMEDIZIN

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=