zm112, Nr. 20, 16.10.2022, (1975) DISKUSSION Vaskuläre Anomalien stellen eine heterogene Gruppe von Erkrankungen dar, die zahlreiche Entitäten einschließt. Die Anzahl der zugehörigen und klassifizierten Krankheitsbilder wächst kontinuierlich, weshalb Verwechselungen und Fehldiagnosen leicht eintreten. Dennoch ist eine exakte und schnelle Diagnosestellung zum einen für die richtige Therapieauswahl ausschlaggebend, zum anderen erspart sie aber auch vermeidbare und verzögernde Arztkontakte. Seit 2018 liegt eine aktualisierte Version der 1996 vorgestellten Klassifikation der Vaskulären Anomalien der International Society for the Study of Vascular Anomalies (ISSVA) vor, die stets als Grundlage der Diagnosefindung herangezogen werden sollte [Wassef et al., 2015; Ahlawat et al., 2019]. Neue Untersuchungsmethoden, insbesondere der genetischen Grundlagen, haben sowohl das Verständnis der molekulargenetischen Pathogenese erweitert als auch zu neuen, auf den identifizierten Signalwegen basierenden, Therapieansätzen geführt [Boscolo et al., 2015; Canaud et al., 2021]. Im Allgemeinen lassen sich vaskuläre Anomalien in zwei Hauptgruppen unterteilen: die vaskulären Malformationen und die vaskulären Tumoren. Bei vaskulären Tumoren handelt es sich um echte, in der Regel benigne Neoplasien ausgehend von gesteigerter Proliferation der Endothelzellen [Dhiman et al., 2015]. Dabei zeigt sich am häufigsten eine weichgewebliche Manifestation im Kopf-Hals-Bereich (typischerweise Wange, Stirn und Augenlid), doch auch intraossäre Manifestationen wurden bereits beschrieben [Alves et al., 2006]. Den häufigsten vaskulären Tumor stellt das Hämangiom dar und obwohl dieser bereits im Säuglingsund Kleinkindalter symptomatisch wird, lässt sich ein charakteristischer Wachstumszyklus aus Proliferations-, Stagnations- und Involutionsphase abgrenzen [Ernemann et al., 2003]. Hiervon lassen sich morphologisch, molekular- und pathogenetisch die vaskulären Malformationen differenzieren, die im Gegensatz zum Hämangiom keine lokale Häufung im Kopf-Hals-Bereich aufweisen, sondern als Folge einer fehlerhaften Angiogenese während der Embryonalentwicklung bereits kongenital an unterschiedlichsten Lokalisationen im Körper auftreten können [Werner et al., 2001; Kaban und Mulliken, 1986]. Da keine neoplastische Entartung vorliegt, sind folglich der Endothelzellzyklus und die Mastzellenpopulation nicht verändert [Kaban und Mulliken, 1986]. Neuere molekulargenetische Untersuchungen konnten sporadische Mutationen im Signalweg der Rezeptor-Tyrosinkinase im Rahmen der zellulären Reaktionskaskade nach Aktivierung durch Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) als häufige Ursache der vaskulären Malformationen identifizieren [Kang et al., 2015; Jiang und Liu, 2009]. Die am häufigsten betroffenen Signalwege sind hierbei Ras und PIK3CA, nicht selten in Verbindung mit G-Protein-Malfunktionen [Boscolo et al., 2015; Limaye et al., 2015; Soblet et al., 2013]. Aus diesen Erkenntnissen resultieren bereits neue Therapieansätze, die sich durch Modulation des Rezeptor-TyrosinkinaseSignalwegs, beispielsweise der mTORAbb. 2: Präoperatives MRT mit Kontrastmittel in T1-Wichtung in axialer (a) und in coronarer Ebene (b) sowie in T2-Wichtung in axialer Ebene mit Darstellung der dem Alveolarkamm in Regio 36 angelagerten, vaskularisierten Raumforderung Quelle: Peer W. Kämmerer a b c CME AUF ZM-ONLINE Vaskuläre Anomalie im Kopf-Hals-Bereich Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie zwei CME-Punkte der BZÄK/DGZMK. ZAHNMEDIZIN | 65
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